von CharlyAngelika
Plente ist eine einfache Hausmannskost aus Maisgrieß, Polenta. Potsch nennen wir einen bequemen Hausschuh, einerseits. Andererseits entfährt einem gelegentlich ein ungeduldiges „Du Potsch!“, wenn man jemanden einer Ungeschicklichkeit zeiht. Beide Ausdrücke zu einem Schimpfwort, Plentnpotsch, zusammenzufügen, halte ich für originell. Dieses dann aber einem Wohltäter als Dank für die Verköstigung an den Kopf zu werfen, könnte man als starkes Stück empfinden.
Ganz im Gegenteil! Der Plentnpotsch ist zu einem Bonmot geworden, und das kam so:
Sie war eine ältere Frau, altmodisch und zugeknöpft gekleidet, unberechenbar in ihren Äußerungen. Irgendwie seltsam, direkt unheimlich wirkte sie auf uns Kinder. Deswegen machten wir möglichst einen Bogen um sie und versuchten direkte Begegnungen zu vermeiden.
„Liebesverwirrung“, diagnostizierte ein ähnlich skurriler Mann. Vielleicht aber verstand sie ihren Nomen als Omen. Die Reine. Ein verzücktes Lächeln ins Angesicht eines Priesters, das weiße Kranzl in der grauen Zopffrisur. Bei Prozessionen trug sie eine weiße Schürze zum bäurischen Gewand. Diese stolz zur Schau gestellten Bekenntnisse ihrer Jungfräulichkeit wirkten auf uns Jugendliche lächerlich und peinlich.
Als ich später einmal eines meiner Kinder als junge Mama spazieren führte, schaute sie in den Kinderwagen. Ob sie Hand anlegen würde? Aber ich musste nur einen ungebetenen Kommentar einstecken: „Is a nit grad a schiens Kind, eher woll a schiachs!“ Die Frau lebte in ihrer eigenen Welt, stolperte von einem Haus ins andere, trug da eine Zuckerdose aus feinem Porzellan davon und stellte sie dort einer Bauernfamilie auf den Tisch. Das Kleidungsstück von der Wäscheleine wurde in einem anderen Garten wiedergefunden und am Friedhof stellte sie den Grabschmuck nach ihrem Geschmack um. Haustürschlüssel verstecken war ihre Spezialität.
Wir wurden alle mit ihr älter. Toleranter wurden aber nur wir. Die Dorfgemeinschaft akzeptierte sie so, wie sie war. Wo immer sie auftauchte, war sie am richtigen Platz, und wenn er noch so unpassend schien. Ihre Angehörigen hatten um Nachsicht gebeten, solange sie niemanden gefährdete. Man wollte sie nicht abschieben. Sie sollte möglichst frei und selbstständig leben können. Sie “umerziehen” zu wollen war vergebene Liebesmüh. Man ließ sie gewähren und ertrug ihre Eigenheiten mit mehr oder weniger Geduld und Verständnis.
Viele erbarmten sich ihrer, viele wollten ihr Gutes tun. Gerne kam sie zu Essenszeiten und wurde, so hört man, nicht etwa so nebenbei abgespeist.
Vielleicht war sie dann schon ein bisschen verwöhnt, als sie einmal im Advent in einem Bauernhaus “nur” Polenta serviert bekam. Wortlos langte sie zu, aß sich satt, erhob sich vom Tisch, dankte diesmal nicht, sondern rieb der Bäuerin zum Abschied ihre Missbilligung unter die Nase „Pfiete, du Plentnpotsch!“, und verschwand im Dunkel der Dezembernacht.
© CharlyAngelika 2020-12-06