Plötzlich berühmt ;-)

Christine Amon

von Christine Amon

Story

„Kann ich das so schreiben?“

Es ist fast Mitternacht und ich habe den Männern, die an unserer Küche gearbeitet haben, meine neueste Story vorgelesen. Sie grinsen: „Ja, das kannst du!“.

Monatelang hat mich die Baustelle in unserem Ort zu der Aussage: „Da schreibe ich eine Geschichte darüber“ bewogen.

Die Meinung der Männer war mir wichtig. Mein Ehemann hat sowieso bei jeder Geschichte (zumindest bei jenen, in denen er eine Rolle spielt, das sind ohnehin fast alle) ein Veto-Recht.

Am nächsten Morgen stellte ich die Geschichte online. Ein Titelbild hatte ich schon eine Woche zuvor ausgewählt. Ohne ein Titelbild und einen Titel beginne ich gar nicht erst zu schreiben.

Später teilte ich die Story auf Facebook. Schließlich hatten mir meine Facebook-Freunde Mut gemacht. Währenddessen kamen auf story one laufend Benachrichtigungen: Gratuliere, deine Geschichte hat schon 10, 20, 30, 40, 50…… Leser! Damals wurde man noch alle 10 Views benachrichtigt. Allmählich befürchtete ich, ich hätte einen Virus!

Am übernächsten Tag waren es schon über 3000 Views. So viele Einwohner hat unser Ort. Hat jeder die Geschichte gelesen? Allmählich wurde mir mulmig zumute.

Es wurde Zeit für den Wochenendeinkauf. Ich beschloss, dieses Mal nur in zwei kleinen Geschäfte einzukaufen (um nicht vielen Menschen zu begegnen). Aber im zweiten Geschäft wurde ich schon angesprochen: „Super Geschichte! Ich habe sie schon ausgedruckt!“ Ups. Eigentlich fühle ich mich beschützt bei story one. Ich verschicke immer nur Links und ich denke, ich kann die Geschichte jederzeit ändern oder löschen. Aber ausgedruckt ist ausgedruckt!

Am nächsten Tag war es endgültig aus mit Verstecken. Wir hatten Dienst bei einem Fest. Also zog ich mir ein hübsches Kleid an und stürzte mich ins Getümmel.

„Ah, Frau Amon, ich habe gar nicht gewußt, dass du schreibst! Gratuliere zu deiner Story!“ Normalerweise ist mein Mann sehr gefragt („Meine Eschen werden kaputt! Was soll ich tun?“), aber dieses Mal…..

Später hat auch noch die Lokalzeitung angerufen, ob sie meine Geschichte veröffentlichen darf. Nein, durfte sie nicht, da hatte ich einen klaren Standpunkt.

Nach zwei Wochen war es mit meiner Berühmtheit wieder vorbei (die Baustelle war beendet und alles ging wieder seinen normalen Lauf, und im Grunde war ja nur meine Geschichte berühmt).

Aber trotzdem fragen mich noch manchmal Leute, ob ich wieder etwas geschrieben habe. Das freut mich immer, vor allem wenn jemand erzählt, dass er alle meine Geschichten liest. Es sind ja meine Kinder und ich mag sie alle, auch die, die nicht so bekannt werden…

© Christine Amon 2020-08-02

Hashtags