Plötzlich wehte ein neuer Geist

Angela Buchegger

von Angela Buchegger

Story
1952

Großmutter war nach diesem Vorfall am Hof sehr enttäuscht. Immer hatte sie sich für alle ihre Lieben und Bekannten viel Zeit genommen, sie war hilfsbereit und hatte für jeden ein offenes Ohr. Und jetzt wurde ihr Hof der Tatort eines Einbruchs. Dazu war das Verhalten des Gendarmeriebeamten, der sie zum Posten begleitete, sehr respektlos. Vor allem die Tatsache, selbst in Verdacht gekommen zu sein, kränkte sie zutiefst. Lange danach haderte sie mit dieser Nachrede. Im Ort war der Vorfall „das“ Gesprächsthema. Damals war es ja immer so, vor allem auf dem Land. Anstatt zu helfen, rührte man fleißig die Nachrichtentrommel. Wenn es eine Sensation zu erhaschen gab, da stieg die Spannung. Irgendwie wundert mich nicht, dass man heutzutage so viele Krimis schreibt. Die Leute wollen sowas und damals war jeder selbst ein Chefermittler, welcher seine eigene Geschichte erfand. Großmutter hat dieses Gerede das Herz gebrochen und bald gab es gesundheitliche Einbusen. Vor allem der Magen rebellierte so stark, dass sie ins Krankenhaus musste.

»Es schaut nicht gut aus bei ihnen, Frau Josefa!« Sagte der Herr Primarius bei der Visite. »Da ist eine schwere Operation vonnöten. Ich kann nicht garantieren, dass dieser Eingriff gut ausgeht. Der Tumor sitzt an der Außenwand des Magens und hat diese schon ganz durchdrungen. Am besten ist, sie fahren noch heute nach Hause, schaffen Ordnung und verabschieden sich von Ihren Angehörigen. Dann versuchen wir den schweren Eingriff gut hinzukriegen. Ich tue, was möglich ist, aber garantieren kann ich eben nichts. Kann sein, dass sie am OP Tisch liegenbleiben.« Das war ein schwerer Schlag. Doch die Josefa nahm die Herausforderung mutig an. Sie fuhr mit dem Autobus nach Hause, besprach mit ihrem Ehemann und dem Sohn Hans alles Wichtige für die Hofübergabe. Verabschieden wollte sie sich nicht. »Es wird alles gut«, sagte sie, zu ihrer Familie, bevor sie zurückfuhr ins Krankenhaus, leistete tapfer ihre Unterschrift und legte sich auf den Operationstisch. »Alles gut, Frau Josefa«, hörte sie den Herrn Primarius Popovitch sagen, als sie von der Narkose erwachte. »Es war nur ein hartnäckiges Magengeschwür und kein Tumor. Wir konnten alles entfernen und wenn sie beim Essen aufpassen, werden sie ein gutes Leben führen, auch mit nur mehr einem halben Magen. Sobald die Wunde verheilt ist, dürfen Sie nach Hause.« Und so war es dann auch. »Ich konnte es gar nicht glauben, als ich zu Hause bei der Tür hineinging.« Erzählte Großmutter immer wieder. Sie war zwar noch sehr schwach. Doch ihre Tochter Barbara unterstützte sie in allem. So gesundete die Josefa vollkommen und man sah sie bald wieder im Stall und am Acker. Sie liebte es noch immer am Abend ihre Zigarette zu rauchen und sie legte die Karten. Besonders freute sie sich darüber, dass bald eine Schwiegertochter ins Haus kam. Sohn Hans hatte die Zukunft fest im Griff. Nur mit ihrem Ehemann hatte sich die Josefa auseinandergelebt. Es gab getrennte Schlafzimmer. Warum, das hat sie niemanden erzählt. Sie sagte nur immer: »Man sieht es oft viel zu spät, wie ein Mann überhaupt tickt. Man kann noch so lange zusammen sein, es kommen immer wieder neue Sitten zum Vorschein.« Scheidung war trotzdem nie eine Option. Beiden Ehepartnern war es wichtig, dass die Wirtschaft und die Familie Bestand hatten.


© Angela Buchegger 2024-05-27

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Romane & Erzählungen
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Herausfordernd
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