von Susanne Wagner
Ich beende dieses Jahr, im wahrsten Sinne des Wortes, positiv. Die 2. Woche ist angelaufen und was ich mit Sicherheit sagen kann, es gibt keinen typischen Verlauf, jeder Tag ist anders. Gestern fühlte ich mich, als wäre ein Elefant auf mich draufgestiegen, heute geht es wieder etwas besser. Starke Kopfschmerzen, Husten, Bronchien brennen, Nase läuft, Gliederschmerzen, das Bett vibriert im Gleichklang meines Schüttelfrosts. Und wehe, du hast parallel noch andere Probleme. Meine provisorische Brücke hat sich aufgrund des Testergebnisses offensichtlich auch gleich so erschreckt, dass sie runtergegangen ist.
Positiv. Wie ein Marker, ein Aussätzigenstempel. Man fühlt sich eigenartig, obwohl man gar nichts dafür kann. Ich bin doch sowas wie eine Vorbildbürgerin – trage seit Sommer FFP2 (da haben noch alle gelacht über mich), krieche niemandem auf die Pelle, bette meine Hände immer schon monkmäßig in Seifenlauge – lange vor der Pandemie, Menschenansammlungen meide ich sowieso. Die Frage woher, beschäftigt mich daher besonders. Aber es ist zu akzeptieren, es ist wie es ist.
Da stehst du nun dann da mit deinen Zähnen in der Hand. Eigentlich ganz witzig, wenn es nicht so mühsam wäre. Verzweifelt rufst du bei 1450 an. Die erklären dir, du sollst zum Notzahnarzt. Und weiter? Nicht durchdacht, ich darf das Haus nicht verlassen. Es wird weiter auf 141 (Ärztefunkdienst) verwiesen, die verweisen wiederum auf 1450. Es gibt defacto seit 10 Monaten keinen Strategieplan für Aussätzige mit Zahnschmerzen.
Am Wochenende habe ich Notzahnärzte durchgerufen. Es wird mir doch jemand sagen können, wie ich diese Brücke wieder ankleben kann – das kann doch nicht so schwer sein! „Telefonisch geht das nicht, die Ärztin braucht ein Röntgen.“ Röntgen genau wofür? Ich will doch nur meine Zähne antackern. Die andere Sprechstundenhilfe verweist mich auf 1450. Nach weiteren Versuchen lande ich bei einer sympathischen Dame mit viel Verständnis. Kurze Rücksprache mit dem Arzt, ich möge doch Bilder der Brücke und Kiefer schicken. Gesagt, getan. 10 Minuten später Rückruf des Arztes. Er stellt mir ein Notfallkit zusammen mit provisorischem Kleber, Watte, etc. Es wird von einem Bekannten abgeholt und als Weihnachtsgeschenk für mich (weil ich sowieso schon genug Sorgen hätte), hat der liebe Doktor keinen Cent verlangt. Ich bin nach wie vor platt. Ein Arzt, der mich nicht kennt und dennoch etwas so Tolles für mich macht. Wenn ich wieder fit bin, bedanke ich mich persönlich mit einer kleinen Aufmerksamkeit. Schatzi hat mir bei dem „zahnärztlichen Eingriff“ hervorragend assistiert und nach einigen Minuten war alles wieder an seinem Platz.
Egal, wie sehr es einen beutelt, in jeder Tragik gibt es oft auch etwas Humorvolles, sofern man es sehen kann.
Und damit ich flexibel bleibe, hat mich gestern auch noch die Hexe geschossen und drückt auf meine Nerven. Meine linke Pobacke ist taub, ich habe Schmerzen. Ein Notfallkit vom Orthopäden wäre pipifein:))
© Susanne Wagner 2020-12-23