POV 10 – Niederlage

Es beginnt in Strömen zu regnen. Mit bitteren Tränen weint der Himmel über deine endgültige Niederlage. Du liegst unnatürlich verdreht auf dem rissigen Asphalt. Ein Regentropfen zischt als er auf deiner immer noch erhitzten Haut verdampft. Mit jedem Augenblick entlädt sich deine Energie etwas mehr. Du spürst etwas, was du schon seit langer Zeit nicht mehr gefühlt hast: Hoffnungslosigkeit. Der unbändige Schmerz hat deine knisternde Elektrizität vollständig verdrängt. Das Feuer in deinen Augen glimmt nur noch vor sich hin. Es dauert nicht mehr lang, bis es komplett erlischt.

Du atmest Rauch und Staub ein, dein Herz beginnt zu stolpern. Er beugt sich über dich und verhöhnt dich mit einem hämischen Grinsen. Seine Hand wandert zu deiner Kehle und schnürt dir mit eisernem Griff die Luft ab. Dunkelheit verschluckt dich, gierige Schatten strecken ihre Finger nach dir aus und versuchen, dich in den Abgrund zu ziehen.

Du ergibst dich ohne jeglichen Widerspruch. Die Niederlage ist unausweichlich. Deine Kraft schwindet mit jeder weiteren Sekunde. Es ist nur eine Frage der Zeit, nicht der Stärke. Nur mühsam kannst du die Augen offen halten. Atemlos ringst du nach Luft. Feuer benötigt Sauerstoff, und den hat er dir gestohlen. Deine Hände greifen verzweifelt ins Leere. Statt einer menschlichen Fackel gleichst du eher einem ausgebrannten Teelicht. Die mickrige Flamme deiner Lebenskraft ließe sich selbst mit dem leisesten Windhauch löschen.

Du wolltest zu viel. Warst dir deiner Sache zu sicher. Hast ihn gefährlich unterschätzt und dich selbst gefährlich überschätzt. Hast dich für unverwundbar gehalten, doch er hat die Schwachstelle gefunden, von der du selbst nicht einmal wusstest. Dein Übermut war deine Achillesferse.

Hochmut kommt vor dem Fall, sagt man. Du bist zu hoch geflogen, hast dich an der Sonne verbrannt und fällst als Ascheregen zurück auf den harten Boden der Tatsachen.

Du hast Geschichte geschrieben, aber niemand hat dir ein Happy End versprochen.

Ikarusflug