von Klaus Rafenstein
Radtour! Ab in den Prater. Erste Station: Stadionbad deluxe! THE PLACE to be. Zumindest einmal im Leben sollte man dort gewesen sein. Augenzeuge sein. Menschliches Verhalten in seiner pursten und erdigsten Form erleben. „Was sind wohl die Aufnahmekriterien bei einem Stadionbad-Bademeister-Assessment?“ frage ich mich. Thailändische Vor-Bräune ab Saisonstart zwischen Wiener Melange und Mocca? Mindestens 1 Tattoo auf jedem Gliedmaß? Ein lupenreines Meidlinger „L“? Muss man auch einmal vor der Jury ein inbrünstiges „Badeeeschluuussss“ vorgrölen?
10 Pedaltritte weiter das Happel-Oval. Als wärs gestern gewesen: 15. November 1989, mein erstes Live-Fussballmatch im ausverkauften Praterstadion. Toni Tripelpack Polster fixiert den 3:0 Endstand über die damalige DDR. Noch 1h nach dem Abpfiff waren sowohl das Stadion als auch eine Vielzahl der zahlreichen Zuseher zum Bersten voll und die siegreiche Truppe wurde lautstark aus ganzem Herzen bejubelt. Wir fahren fix zur WM nach Italien! Und Toni’s 3er Pack machte ihn in dieser Nacht postwendend zum vielgerühmten Star, nun auch in der Heimat. Vom verschmähten Kabarettisten-Opfer zum Nationalheld.
Auf zur nächsten historischen Sportstätte. Dusika Radstadion. Wieviel hundert Stunden hab ich hier drin verbracht? Tag für Tag den Radfahrern beim Im Kreis Fahren zusehen liebte ich über Jahre. Roland Königshofer war damals unser erfolgreichster „Steher-Fahrer“. Das sind jene Athleten, die in einem geschlossenen Indoor-Stadion mit Ihrem Rennrad hinter qualmenden Motorrädern im Kreis herfahren. Die Sinnfrage habe ich mir damals schon gestellt. Unvergessen auch die Auftritte unserer 3 Tennis Davis Cup Musketiere Thomas Muster, Alex Antonitsch und Horst Skoff. Eingebrannt ins Gehirn das 7h Match, als Horst Skoff Mats Wilander im Hexenkessel Dusika Stadion niedergerungen hat. Gott hab ihn selig, den lieben Horstl.
Ich radle Richtung Heustadlwasser. Für die einen eine Dreckslacke, für mich das Freizeiteldorado frühester Kindheit. Wenn ich brav war gabs ein Würschterl beim Würschtlstand. Wenn ich sehr brav war obendrein eine Ausfahrt mit einem der knorrig-bunten Holzruderboote.
Zeit für Kontrast. Wurstelprater. Zuckerwatte, Calafatti, Riesenrad, Hochschaubahnen und Techno Beats. Doch all das interessiert mich nicht. Meine Hauptattraktion ist die Zwergerl Hochschaubahn. Seit jeher mein Highlight in all dem bunten Treiben. Der über unsere Köpfe pinkelnde Zwerg ist mein persönlicher Hero und Freudenbrunnen.
Liliputbahn. Zierliche Waggons gezogen von der schnaufenden Nostalgie-Lok. Ein schriller Eisenbahn-Pfiff durchdringt das üppige Baumgrün während sie sich durch die Hauptallee schlängelt. Ich frage mich wieviel Stadionbad Bademeister bereits Liliputbahnfahrer waren bzw. umgekehrt? Und in welche Richtung es die Karriereleiter bergauf geht? Egal. Eines Sommerabends im heiligen Bad „Badeeeschluuussss“ rufen dürfen. Das wär’s!
© Klaus Rafenstein 2020-04-23