von Sandra Mall
Wir haben heute Mittwoch, wobei das unter der Woche relativ egal ist. Meine Tage sind strukturiert und beginnen so ziemlich immer gleich. Ich stehe auf, eine geschlagene Stunde vor den Kindern, weil ich mit einer Dusche in den neuen Tag starten will, und das ohne, dass mir jemand nörgelnd am Rockzipfel hängt. Ich will schließlich gut aussehen und gut riechen, zumindest für die Leute, mit denen ich zu tun habe. Ginge es ausschließlich nach mir, würde ich manchmal am liebsten im Jurassic Park Shirt nach draußen gehen. Aber hier zur Erklärung, warum ich denn überhaupt so übernatürlich früh aus dem Bett falle: Meine beiden Kinder sind vier und sieben Jahre alt und ziemliche Morgenmuffel. Also nutze ich die Gunst der Stunde, um mich schon vor dem Erwachen der beiden für alltagstauglich erklären zu können, und entscheide mich pro Bluse statt pro Dinos. Vor dem Spiegel denke ich mir, dass ich meine blonden Strähnchen mal wieder auffrischen sollte. Nicht, dass es irgendwann zu schlampig aussehen wird. Und irgendwo im Hinterkopf spukt mir gleichzeitig der Gedanke … verdammt, wie geil wäre es, wenn ich meine Haare einfach mal pink-blond färben würde? Aber nein, ich bin ja erwachsen und was sollten andere dann von mir denken? Mein Handy bimmelt in WhatsApp Manier und zeigt mir drei Nachrichten aus der Kita-Gruppe meiner Tochter und eine von einer guten Freundin an, die ich schon eine ganze Weile lang nicht gesehen habe. Ich habe noch zehn Minuten, bevor ich die Kinder wecken muss, also go for it, Mummy! Ehrlich gesagt ist die einzige Nachricht, die mich interessiert – Überraschung! – die meiner Freundin. Und trotzdem ist es genau die, die ich nicht öffne. Weil ich hoffe, dass sie mir am wenigsten böse sein wird, wenn ich mich erst später bei ihr melde. Die Kita-Mütter, die hingegen verstehen keinen Spaß. Ein Fehltritt und du bist sofort raus aus dem Game. Also lese ich zuerst, was dort geschrieben wurde. Ein paar Mütter regen sich über die hirnrissige Idee auf, dass unsere örtliche Kita am – laut Wetter App – einzigen Regentag dieser Woche einen Probefeueralarm plant, bei dem die lieben Kleinen in Hausschuhen und ohne Jacke das Gebäude für einige Minuten verlassen sollen. Ja, wirklich total hirnrissig, oder? Ich meine, ein Gebäudebrand wartet doch sicher auch einen Tag ab, an dem es warm genug ist, damit der geliebte Nachwuchs ohne Jäckchen nach draußen gehen kann. In der Gruppe jedenfalls geht es sogar so weit, dass ein paar Mütter der Kita vorwerfen, diesen Tag absichtlich so ausgesucht zu haben. Und an dieser Stelle merke ich Folgendes an. Der Zettel mit der Ankündigung kam schon nach Weihnachten, da hätte nicht mal ein Donald Bäcker auf Wetter vor acht eine Chance gehabt, eben dieses vorherzusehen. Aber wie dem auch sei, der Vorwurf steht. Die Kita will, dass sich unsere Kleinsten eine waschechte Influenza oder gar Covid-19 einfangen, um nicht so viele nörgelnde Bälger auf einmal bespaßen zu müssen. Logisch, macht Sinn … Ich schließe die Gruppe wieder, obwohl ich weiß, dass hier Solidarität von mir erwartet wird. Oder eher Mütter-Solidarität, denn die ist nämlich anders als die normale. Mütter sind eine eigene Spezies, aber ich möchte jetzt nicht ausschweifen. Total unproduktiv, weil ich weder meiner Freundin geantwortet, noch dem Clan der Mütter ein Zeichen geschickt habe, auf ihrer Seite zu stehen, gehe ich aus dem Bad und wecke meine Kinder.
© Sandra Mall 2023-07-20