von PETER MANDL
Wenige Menschen haben mein Leben so beeinflusst wie unser alter (er zählte 1955 ungefähr 34 Jahre) Klassenvorstand Prof. Heinrich R. Er begrüßte uns zum Beispiel mit den zärtlichen Worten “Keiner ersoffen in den Ferien? Das ist schade”. Er brauste gegen acht im Lederjoschi auf einer Harley ins RG 11 und nannte UNS gleichzeitig Halbstarke.
Im Gegensatz zu unserer halben lag seine ganze Stärke aber in seinen Aussprüchen, deren einiger ich mich zu erinnern versuche:
Der typische Vertreter dieser Pflanzenwelt ist der Hirsch! Ein Tal entsteht nur dann, wenn ein Berg vorgelagert ist! Der Dachsteinkalk ist kletterfreudig! Du kannst mir nicht nachweisen, dass du eine geborene Wildsau bist! Ich schau den Kerl an und diese grausliche Wanze schwätzt! Könnt ihr’s euch vorstellen, so ein Haar ohne Kamele? Sehr gut, schau, ein politisches Weib! Und jetzt mitten hinein in MILIAS res! Das ist wieder typisch für euch: Tür offen und Maul offen! Der Mandl kommt nicht dran, der nimmt’s sonst als Rachezeichen! Als ich ein Büblein war mit rosigem Haar. . ! Was heißt Gentleman? Esel! Teschek! Kein Atlantik hat soviel Nebenmeere wie der Atlantik! Wien müsste man bezeichnen als Packelrass‘! Tageshöchsttemperaturen um fünf Meter! Es war an einem Sommertag, um halb zwei Uhr in der Nacht! Wenn ich am Acker hab Fichten, muss ich dann später Föhren anbauen, das ist ein alter Hut (gemeint war der Fruchtwechsel)! Was hat denn diese Wanze? Wie eine Ratte! Ich kenne dich: du bist ein verpatzter Pavian! Du bist auch eine Laus geworden, Meier, eine große Laus! Wer hat das Maul offen, wo ist der Heimtücker? Wenn das mein Sohn macht, verkauf’ ich ihn heute noch als Hundefutter! Und was das Schlimmste ist: dieser Trottel hält mich für einen Trottel! Grausliche, stinkfünfte Klasse! Sporna, du bist kein Dreiviertel von einem Prozentstarken! Sonst geht die Granate los und er detoniert a paar Splitter!
Dabei muss man wissen: Der Heine, wie wir ihn nannten, war ein grundgütiger Lehrer, wurde von uns geliebt und wegen seines großen Fachwissens allseits anerkannt. Und vor allem: er teilte zwar bei ausufernder Ignoranz hie und da ein “Genügend”, seit Schülergedenken aber bis hinauf in die Maturaklassen niemals ein “Nicht Genügend“ aus. Allerdings praktizierte er zwei Arten von Gerechtigkeit: Mädchen wurden bei gleicher Leistung grundsätzlich um eine Note besser beurteilt als Buben. Begründung bei männlichen Protesten : Laßt sie, laßt sie, schaut’s, a Mädel is ka Bub.
Vor ein paar Jahren erlebte ich im Salzburger Unfallkrankenhaus die Gnade einer Reinkarnation. Ich hörte ihn schon am Gang lautstark palavern, dann trat er als ungefähr vierzigjähriger Unfallchirurg ins Zimmer und schrie angesichts meiner klaffenden Wunde: l kann ka Bluat sehg’n! Ich sprach ihn verwirrt als “Herr Professor” an.
Nachfrage bei der Schwester: Er heißt Dr.R. Er entpuppt sich als Großneffe. Ich berichte, worauf er lauthals wiehert“Jaja, der Onkel Heini!”
© PETER MANDL 2021-01-08