von Anna Pichler
Ich bin ein wandelndes Chaos. Auf unserem Couchtisch liegen Papierschnipsel, Stoffreste, eine Schere, Kleber, zwei Lineale und ein Skalpell. Auch ein Bleistift hat es sich inmitten des Saustalls gemütlich gemacht. Rundherun stehen ordentlich ein paar Dekoartikel, die sich nicht um die Unordnung kümmern. Auf meinem Lesesessel ist eine halbe, unfertige Socke platziert, die darauf wartet von mir zu Ende gestrickt zu werden. Mein Laptop mit meinem unvollendeten Buch-Projekt fläzt auf dem Regal neben dem Fernseher und direkt darüber wuselt mein leeres Rezeptbuch herum und wartet darauf endlich vollgeschrieben zu werden. Vor Monaten habe ich mir vorgenommen meine Pinterest-Rezepte zu übertragen. Auf der Anrichte in der Küche trocknet ein zusammengeklebtes Notizbuch unter zwei Buchreihen – eine davon habe ich bereits gelesen, die andere nicht. Drumherum halten 1 Liter Bastelkleber, eine Rolle Frischhaltefolie und ein Pinsel Wache.
Überall in der Wohnung liegen unvollendete Projekte und warten darauf, dass ich die Arbeit fortsetze und fertig werde. Ich bastle für mein Leben gerne, aber eben immer aus einer Laune heraus und wenn ich keine Lust habe, dann werkle ich nicht weiter an bereits begonnenen Projekten herum, sondern beginne ein neues, ein neues, ein neues. Inmitten des formangenommenen Chaos sitze ich nun und schreibe. Wenn ich schon keine Lust auf eines der Projekte habe, denke ich mir, dann erweise ich ihnen wenigstens die Ehre und schreibe über sie. Das ist das Mindeste, das ich tun kann.
Wenigstens ist die Wohnung mit Leben erfüllt, rede ich mir ein, um das Chaos nicht beseitigen zu müssen und blende einfach alles aus – außer den Worten, die vor meinen Augen zu einem Text werden. Und immerhin ist auf dem Sofa noch Platz für mich, denn nach dem üppigen Mittagsmahl brauche ich jetzt vor allem eines – ein ausgiebiges Schläfchen, damit ich von neuen Projekten träumen kann.
© Anna Pichler 2020-04-05