Prologerin

thestorycurator

von thestorycurator

Story

Dank Babyboom und Ehemann-Befall flattern erneut Absagen herein. Drei fahle Ausreden, drei Mal die versteckte Wahrheit: „Wir haben etwas Besseres zu tun.“ Mein #dreamsquad ist so inexistent wie die heißen Sommernächte. Als Single im Pärchen-Versum bin ich diejenige, die sich an alle anpassen muss, immerhin habe ich nichts Wichtiges zu tun. Einfach leben? Das zählt nicht, so ganz ohne Mann und Kind.

Ich schicke ein: „No problemo.“ Hätte ich ein Problem damit, würde es sowieso keinen Eierstock interessieren. Wir reden nicht mehr über tiefgründige Sachen, dafür werden alle Stufen des Kind-Daseins kommentiert, als handle es sich um die Super-G-Weltmeisterschaft am Hahnenkamm. Wow, erste Topferlerfahrung?! Silbermedaille! Erstes Mal ins Klo gepinkelt?! Goldmedaille. Wenn ich einen ganzen Saal mit Menschen fülle und ihnen einen Grund zum Feiern gebe, heißt es: „Ah… ja cool.“

Cool?! Fucking amazing! Heute bin ich die Königin der Nacht – wer kann das schon von sich behaupten? Der große Eröffnungsakt. Mein rotes Samtkleid umspielt die Unterschenkel. Ich sehe aus wie eine Hollywoodlegende, verhalte mich auch so. Das Gefühl alleine verändert meine Ausstrahlung, der Adrenalin-Kick lässt mich durch die Welt schweben. Der Applaus ist meiner. Danach streife ich durchs Foyer. Wangenküsse und dumme Floskeln, die Lacher ernten. Ein Ex-Lover drückt mir einen Whiskey in die Hand und sagt: „Du bist wie immer eine Erscheinung.“

Smalltalk, bis sich eine Unbekannte in das Gespräch einbaut. Ihr Englisch klingt wie verrauchter Honig. Ihre Ausstrahlung hat etwas exotisches. Wir werfen mit Geschichten umher, wetteifern um das Wort, um die Aufmerksamkeit der Anderen. Ich übertreibe maßlos, um mit ihr mithalten zu können, will mithalten, will ihr etwas bieten, will ihr mich anbieten. Ich flirte hemmungslos. Sie berührt mich ständig. Am Oberarm und auf der Schulter.

Wir wechseln den Ort, gehen durch die Spätsommer-Metropole, trinken Rotwein auf Whiskey. Sie hält mir eine Zigarillo hin, ich ziehe an, obwohl ich rauchen verteufle. Ich will sie. Ich will, dass sie mich will. Wir landen mit Ausrede-Weißwein auf meinem Balkon. Wir küssen uns unter den Lichterketten. Ich fahre über eine ihrer Narben am Handgelenk.

„I am a private cook“, sagt sie grinsend, zeigt mir weitere. Fleischmesser. Hachel. Schoko-Soufflée.

„Actress“, sage ich. Das Wort fällt aus mir raus, ich will es zurücknehmen. Sie will einen Text hören. Mein Hirn ist leer. Ich muss mir etwas Gutes einfallen lassen, so wie früher. Ich lenke sie mit anderen Geschichten ab, nicht alle sind meine, werden aber zu meinen. Ich lebe für ihre Reaktionen, für den Blick in ihren Augen. Bewunderung. Interesse. Sie streicht über meinen Rücken. Ich wechsle das Thema: Lieblingsbücher, Spiele, Filme. Die Hälfte von ihren, kenne ich nicht, hieve mich mit Floskeln über das Nicht-Wissen.

Bei der Verabschiedung sagt Raya: „Can I see you again?“

© thestorycurator 2021-08-09

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