von Walter Weinberg
Daniel verlangte viel von uns, wie zum Beispiel unsere Brustwarzen mit Rasierwasser einzureiben, damit sie kleiner werden. Er war ein pedantischer Perfektionist! Wenn ich gewusst hätte, wie anstrengend diese Mister Wahl wird, hätte ich wohl auf die Teilnahme verzichtet! Alex rief an und sagte, dass er zur Wahl am Abend kommen wird: „Aber etwas später, da ich nicht so früh mit Lebkuchen backen fertig werde!“
Nach der Pause ging ich widerwillig in die Gay-Sauna zurück. Ich nahm zwei Flaschen Prosecco mit, um abends in Stimmung zu kommen. Michael begrüßte mich mit Wangenküssen und drückte mich an seinen muskulösen Körper. Mittlerweile waren auch die beiden Moderatoren der Show eingetroffen: Miss Candy und Jürgen Pendl mit weißblondem Haar samt Manager. Den fragte er, ob ich „einer von seinen“ wäre. Der Manager meinte verärgert: „Nein, der gehört nicht Dir!“, anscheinend ein kleines Eifersuchtsdrama! Meine Vorstellung übernahm Miss Candy, ein bekannter Transvestit. Der hübsche Friseur wollte mir eine Twink-Frisur verpassen und mir die Haare ins Gesicht frisieren. Ich blieb lieber bei meiner gewohnten Elvis-Haartolle, nur in Blond.
Langsam füllte sich der Saal mit Gästen und ich wurde immer nervöser. Den mitgebrachten Prosecco hatte ich in unauffällige Mineralwasserflaschen umgefüllt. Durch den prickelnden Alkohol kam ich endlich in Stimmung und meine Müdigkeit verschwand. Manfred, ein guter Freund, war auch schon da. Ich verbrachte die Zeit bis zum Beginn der Show mit ihm. Mittlerweile war ich schon ziemlich betrunken.
Als ich in den Backstage-Bereich zurückkam, hatte dort bereits die Jury Platz genommen. Der Life-Ball Erfinder Gery Keszler begutachtete mich kritisch. Auch Mister Gay Schweiz war in der Jury, dem ich anscheinend unsympathisch war. Zum Trost bat mich Michael, neben ihm zu sitzen. Seine Persönlichkeit wirkte beruhigend auf mich und er machte mir Mut. Michael umsorgte mich mit weiteren alkoholischen Getränken. Mein Handy vibrierte. Alex riss mich mit seinem Anruf aus der trauten Zweisamkeit. Ich holte ihn am Eingang ab, wo er mit Anneliese wartete. Ich nahm beide in den Backstage-Bereich mit. Dort fiel ihm sofort der Junge aus dem Gay-Magazin auf. Der gefiel Alex am besten von allen Teilnehmern! Michael bemühte sich, nett zu meinem Freund zu sein, um in meiner Nähe bleiben zu dürfen. Wir saßen zu viert auf einer Bank: Michael, Alex, Anneliese und ich.
Für den ersten Durchgang der Show mussten wir im Anzug auf die Bühne. Dazu trugen wir schwarze Augenmasken, wie der Junge im Magazin. Miss Candy stellte mich charmant dem Publikum vor. Beim nächsten Durchgang mussten wir in Boxershort auf die Bühne und viel Haut zeigen. Da ich sehr betrunken war, zog ich mich nach dem Auftritt nicht wieder an. Ich huschte fast nackt in die barocke Bar zu Manfred, der dort einsam auf mich wartete. Gery Keszler missfiel mein ständiges Herumschwirren. Mein Freund unterhielt sich in meiner Abwesenheit bestens mit Michael.
© Walter Weinberg 2021-07-15