von Anastasia Pusch
In jeder kritischen Situation ist ein grober Plan besser als gar kein Plan. Doch welchen Plan hat ein Teenager, der plötzlich alleine dasteht? Im ersten Augenblick war mein Plan einfach: nicht zu verhungern. Danach wollte ich allen, die mich verletzt hatten, etwas beweisen. Na ja, so sind halt die meisten Kinder mit 18. Jedoch muss ich mir selbst ein großes Dankeschön aussprechen, denn meine Energie habe ich voll und ganz in eine positive Richtung gelenkt. Ich habe mich mit meinem Leben auseinandergesetzt. Ich wollte meine Zukunft klar vor Augen haben. Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich meine Wünsche und Ziele aufgeschrieben.
Das klingt so einfach, oder? Doch zuvor ist mir das nie in den Sinn gekommen. Es war nicht sonderlich überlegt – ich hatte einfach ein kleines Notizbuch, einen Kugelschreiber und einen Moment Zeit. Ich brauchte einen Punkt B. Etwas, das ich als Hoffnung vor mir sehen konnte, auf das ich hinarbeitete. Also beschloss ich, Ziele zu setzen und sie aufzuschreiben. Ich erinnere mich noch genau daran. Auf der linken Seite meines Notizbuchs standen meine „Kurzfristigen Ziele“ – lächerliche Dinge wie „ein grünes Kleid kaufen“ oder „Pizza essen gehen“. Etwas, das ich mir kurzfristig ermöglichen konnte, wenn ich vielleicht ein wenig sparte. Auf der rechten Seite notierte ich meine „Langfristigen Ziele“: Studium, Beziehung. Für mein Studium schrieb ich hinzu, dass ich es gerne in Deutschland abschließen würde. Gerade klingt das relativ machbar. Doch damals musste ich darüber lachen. Ich schämte mich fast für diese frechen Gedanken. Aber dennoch schrieb ich sie auf. Es fühlte sich unrealistisch an. Meine Hand zitterte vor meiner eigenen Naivität. Es war ein Gefühl zwischen „Was traust du dir überhaupt?“ und „Ich habe hier sowieso nichts mehr zu verlieren“. Wie ihr euch denken könnt, aus einem einfachen Satz wurde ein völlig anderes Leben.
Ich habe gespart und mir das Kleid nach ein paar Wochen gekauft. „So schnell kann es gehen“, dachte ich mir. Ich war erstaunt über meine eigene „Macht“. Dann entdeckte ich Businessdeutsch an der Uni und wollte es unbedingt schnell lernen. Es kam ein Zufall nach dem anderen, und schon ein Jahr später lebte ich in Deutschland. Ich hatte nur liebe Menschen auf meinem Weg und war unendlich dankbar für alles, was mit mir passierte. Und ich war dankbar, dass ich mir damals erlaubt habe, daran zu träumen.
Die Beschäftigung mit eigenen Zielen hat mir geholfen, die Verantwortung für mich selbst zu übernehmen. Ich wusste nie wirklich, was ich möchte. Ich habe immer die Entscheidungen für mein Leben anderen überlassen – logisch, mit 17. Ich freue mich, dass ich es damals geändert habe. Auch heute noch befasse ich mich regelmäßig mit meinen Wünschen und Zielen und merke immer wieder, wie positiv sich mein Leben dadurch ändert.
© Anastasia Pusch 2024-03-10