von Margo Wendt
»Das wissen wir nicht, Hoheit.« Wieder der Mann. Seine Tonlage ist unangenehm. Irgendwie schrill und er spricht zu laut. Ich knurre frustriert, während ich die Augen schließe. Es blitzt hell hinter meinen Lidern. In mir drängen Emotionen an die Oberfläche. Mit aller Macht.
Ich falle aus dem Weiß, immer tiefer.
Ein grelles Purpur nimmt mich gefangen. Es ist eine blendende Nuance dieser Farbe, die ich bisher immer gemocht hatte. Jetzt überwältigt sie meine Sinne, und ein reißender Strudel bildet sich in mir. Die Luft wird knapp und unerträglich einengend. Das Purpur verzehrt mich, zermahlt meine Gedanken und Gefühle, bevor es mich wieder und wieder ausspuckt. Vor mir tauchen verstörende Sequenzen auf. Ein Blutfleck, der sich wie ein düsteres Gemälde ausbreitet. Ein hämisches Grinsen, das mich verhöhnt. Purpurne Schatten verschlingen die Realität, formen sich zu verzerrten Fratzen, die mich quälen. Nein!
Ein Hass steigt in mir empor, so brennend und intensiv, dass ich ihn schmecken kann. Er schlingt sich um mein Herz, brennt wie flüssiges Feuer durch meine Adern. Gebt mir ein Schwert, gebt mir einen Gegner! Ich will kämpfen und nicht stumm untergehen.
Ein Crescendo von Schreien vereint sich mit den gespenstischen Stimmen, die weiterhin flüstern. Chaos und Zerstörung werden zu einem einzigen, ohrenbetäubenden Chor, der meinen Verstand überflutet. Das Purpur verschluckt alles, was vernünftig ist.
Ich verliere mich. Mein Innerstes wird zerrissen und zerfällt.
»Ist es schmerzhaft?« Die Frage verhöhnt mich.
»Ich denke nicht, Hoheit.« Narr, verfluchter elender Narr. Was weißt du schon über den Strudel und das flüssige Feuer?
Ich will ihm die Augen auskratzen.
Plötzlich, wie ein funkelnder Stern in der Finsternis, taucht ein roter Schimmer vor mir auf. Ich stürze mich darauf, als wäre es ein rettender Anker. Intensives Rot durchdringt das Purpur, schafft einen fragilen Kontrast zu der düsteren Welt.
Doch während ich mich dem Rot nähere, scheint es zu flackern und zu verblassen. Der Hass versucht ihn zu ersticken. Ein Kampf entbrennt, heimtückisch und bösartig. Verzweifelt klammere ich mich an den roten Funken, als wäre er der letzte Ausweg aus diesem purpurnen Strudel.
Langsam entgleitet er mir. Meine Finger öffnen sich ohne mein Zutun. Stück für Stück falle ich zurück. Doch ich blecke meine Zähne und weigere mich, aufzugeben. Niemals.
Der Hass schwindet und transformiert sich, und ich finde mich in einem brodelnden Ozean der Wut wieder, der mich mit jedem Moment tiefer verschlingt.
Wer tut mir das an?
© Margo Wendt 2023-12-15