Putins Rede im Bundestag am 25.9.2001 (1)

Jökull

von Jökull

Story

„Sehr geehrte Damen und Herren, soeben sprach ich von der Einheit der europäischen Kultur. Dennoch konnte auch diese Einheit den Ausbruch zweier schrecklicher Kriege auf diesem Kontinent im letzten Jahrhundert nicht verhindern. Sie verhinderte ebenfalls nicht die Errichtung der Berliner Mauer, die zum unheilvollen Symbol der tiefen Spaltung Europas wurde. Die Berliner Mauer existiert nicht mehr; sie ist vernichtet.“

Sehr geehrter Herr Putin, Sie sprechen von der Einheit der europäischen Kultur, einem Kulturkreis, zu dem Ihr Land doch eigentlich dazugehört, auch wenn hinter dem Ural Asien beginnt. Wir schätzen die vielen Künstler aus Ihrem Land, die seit vielen Jahren überall in Europa und in der ganzen Welt gastieren, in großen Konzerthallen oder auf der Straße. Ihre Künstler kommen mit uns zusammen, damit die Spaltung Europas nach dem Fall der Berliner Mauer kulturell und vor allem auch menschlich überwunden wird. Alles das hätte lange vorher stattfinden können, wenn es die Mauer nicht gegeben hätte, die Ihre Vorgänger haben errichten lassen. Nicht vergessen und auch nicht Ihnen persönlich anzulasten, aber verziehen, weil sich auf der ganzen Welt damit Hoffnungen auf eine friedliche Zukunft verbanden. Warum wollen Sie das nun nicht mehr?

„Es wäre angebracht, sich heute daran zu erinnern, wie es dazu gekommen ist. Ich bin mir sicher, dass großartige Veränderungen in Europa, in der ehemaligen Sowjetunion und in der Welt ohne bestimmte Voraussetzungen nicht möglich gewesen wären. Ich denke dabei an die Ereignisse, die in Russland vor zehn Jahren stattgefunden haben. Diese Ereignisse sind wichtig, um zu begreifen, was bei uns vor sich gegangen ist und was man von Russland in der Zukunft erwarten kann.“

Herr Putin, Sie sprechen von großartigen Veränderungen in Europa und der Welt. Dabei erwähnen Sie die ehemalige Sowjetunion gesondert, so als würde diese nicht zu Europa und der Welt gehören. Dabei hat Ihr Vorvorgänger Gorbatschow mit Glasnost und Perestroika, den von Ihnen angesprochenen “Ereignissen”, die Welt wissen lassen, was sie in Zukunft von Russland erwarten darf. Die Welt und sicher auch die Menschen in Russland haben in der Tat erwartet, dass das neue Russland näher an Europa und den Rest der Welt heranrückt. Das ist lange Zeit uns allen doch ganz gut gelungen. Warum wollen Sie das nun nicht mehr?

“Die Antwort ist eigentlich einfach: Unter der Wirkung der Entwicklungsgesetze der Informationsgesellschaft konnte die totalitäre stalinistische Ideologie den Ideen der Demokratie und der Freiheit nicht mehr gerecht werden.“

Sie haben richtig erkannt, dass die Menschen dank neuer Entwicklungen besser und schneller informiert werden. Das sind die neuen Gesetzmäßigkeiten, die einer totalitären Ideologie fundamental entgegenstehen, aber den Ideen der Demokratie und der Freiheit nicht. Das findet Ihr Volk doch auch erstrebenswert. Warum wollen Sie das nun nicht mehr?

© Jökull 2022-02-26

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