von Dominik Stropek
Am anderen Ende des Karl-Marx-Hofs erwartet uns das Q19. Es ist das einzige Shopping-Center des Bezirks, wobei es der Begriff Einkaufszentrum wohl besser trifft. Denn dort zu shoppen stellt aufgrund der geringen Anzahl der Geschäfte beinahe eine Herausforderung dar. Ein Zentrum in Döbling ist es jedoch tatsächlich. Diesen Status hat es vor allem dem für städtische österreichische Verhältnisse großem Supermarkt und den zahlreichen kostenlosen Parkplätzen zu verdanken. Deshalb ist hier gerade freitags und samstags, wenn die Menschen ihre Wochenendeinkäufe erledigen, besonders viel los. Die effektivste Marketingkampagne ist daher die pure Existenz des Supermarktes, der den größten Teil der Kundschaft der anderen Geschäfte anlockt.
Die Geschäfte sind nicht nur für den täglichen Bedarf, sondern bieten im sonst überwiegend als Wohnort fungierenden Bezirk eine unübliche Ansammlung an internationalen und nationalen Ketten. Auf zwei Etagen verteilen sich unter anderem ein Sportgeschäft, Drogerien und Parfümerien, kleinere Bekleidungsgeschäfte, verschiedenste Mobilfunkanbieter und eine Buchhandlung. Wobei letztere mein bevorzugtes Ziel bei meinen Besuchen darstellt. Das Q19 war mir vor allem bei Bedarf von spontanen Geschenken oder simplen Kleidungswünschen bereits häufig ein großer Helfer und Freund. Gerade deshalb, weil die Innenstadt eben keinen Katzensprung entfernt ist, braucht es einen Ort, der diese Standardwaren anbietet.
Die Filialen dieser Ketten sind jedoch so klein, dass Menschen kaum aus anderen Bezirken ins Q19 strömen und genau das macht es so einzigartig. Es treffen sich überwiegend Leute aus dem Bezirk und vor allem aus der umliegenden Gegend. Das Q19 ist ein unbewusster Treffpunkt für viele Döblinger. Häufig begegnet man bekannten Gesichtern, die man schon lange nicht mehr gesehen hat. Nicht immer begrüßt man sich, aber wenn man Personen trifft, die man noch aus der Schule oder dem Kindergarten kennt, fühlt man sich zu Hause. So geht es zumindest mir.
Interessant ist mit Sicherheit auch die Aussprache des Einkaufszentrums. Obwohl in Österreich das Q häufig als kwe ausgesprochen wird, haben sich die meisten auf die Aussprache ku-neunzehn geeinigt, zumindest in meinem Umfeld. Ich weiß nicht, ob es jemals eine Radio- oder Fernsehkampagne gab, die womöglich eine Aussprache suggeriert hat und eine neue Werbeoffensive würde wohl auch kaum die Gewohnheit der Menschen ändern.
Leider wird der ursprüngliche Zweck des Gebäudes als Zigarettenpapierfabrik nur beiläufig mit wenigen Bildern und erklärendem Text in einem Nebengang herausgestrichen. Dabei macht eine solche Historie das Gebäude doch wesentlich sympathischer als die übrigen gigantischen Neubauten am Rande Wiens. Und sich ab und zu beim täglichen Einkauf in eine längst vergangene Zeit zurückzuversetzen kann auch der Monotonie des Alltags entgegenwirken.
Es kommt mir vor als hätte es das Q19 schon immer gegeben, obwohl ich mich noch daran erinnern kann, als es sich im Bau befand. Genau genommen weiß ich nur, dass es eines Tages da war und selbst dabei ist mir nicht bewusst, ob ich diese Erinnerung irgendwann konstruiert habe (weil ich mich daran erinnern können sollte) oder, ob sie tatsächlich existiert.
© Dominik Stropek 2023-08-31