von Proteusonfire
Wie manche von den vermutlich improvisierten Erklärungen, die sich Jochen in seiner Zerstreutheit eines halbbewussten Daseins tagtäglich bereitstellte, tatsächlich ihrem beabsichtigten Sinn und Zweck nach taugten, wusste er nicht. Ob davon in naher Zukunft das eine oder andere Erkenntnisfragment über seine trockenen Lippen in Franzens offenes Ohr träufeln würde, blieb wohl für länger ein verführerisches Vabanquespiel und oblag gänzlich der Willkür des Zufalls.
Er spürte aber deutlich, es war ihm ein starker Wunsch, einiges wenige seines querdenkerischen Suchens als integrale Aufgabe in seine Erinnerungsspur einzubauen. Gleichsam den Wegmarken dieser Spur folgend, fiel ein erster wahrnehmungsreicher Blick auf ein situatives, einprägsames Bild aus seiner Jugendzeit.
Gleich einem Bühnenbild inszeniert öffnete sich seiner sehenden Neugier eine Art Traumlandschaft eines Parks mit Weihern, die im Rhythmus der sie umrandenden, im Winde sich wiegenden Schilfskronen lustig und keck dem Sonnenlicht entgegenblinzelten. Nahe einer Birke fand sich eine Art Taufbecken, wohl eher ein muschelförmig angelegter Plantschteich für Kinder, an dem zwei Jugendliche, heftig gestikulierend standen, Mädchen, die miteinander zu schäkern schienen.
Als Zilli, die eine der beiden, Jochen erblickte, winkte sie ihm frenetisch zu und bedeutete, er möge sich doch flink zu ihnen gesellen und am Badespaß teilhaben.
Jochen erinnerte sich, einmal eine Zäzilia gekannt zu haben. Wie das? Da holte ihn etwas, ein heimlicher Lockruf aus der Vergangenheit ein, das sich an Tagen und Wochen seines Sommeraufenthalts während den Schulferien bei seiner Tante im Berner Oberland abgespielt hatte. Freunde, die er für diese Spanne notgedrungen zu Hause zurücklassen musste, wurden hier von Zilli, wie sie von allen ihren Gespielinnen geheissen wurde, auf eine besonders prickelnde und körperhafte Erlebnisfülle ersetzt.
Er schätzte sich glücklich in ihrer Nähe, und er zelebrierte ein kindliches Ich-warte-auf-dich-Spiel einsam auf hochgestapelter Holzbeige sitzend, wenn sie sich im Dunkel seines Verlangens versteckt hielt und er zu erraten versuchte, was sie wohl gerade tat und ob sie ihn daselbst womöglich hörte.
Woran sich Jochen Querdenker, schreckhaft aus seiner Vision aufwachend aber ebenso erinnerte, war die im Wachen sprachlos peinliche Erinnerung an zwei Mädchen, Zilli und Vreni, die ihn blitzschnell und überraschend unter den Armen ergriffen, ihn in den Teich stellten und zum Hinknien zwangen. Beinahe feierlich drückten sie seinen Kopf lachend dreimal kurz hintereinander ins Wasser und ließen ihn dann händeklatschend frei.
Er wusste von alten vergilbten Fotografien und entsprechenden vagen Erzählfragmenten seiner Eltern, dass und wie er getauft worden sei. Im Augenblick hingegen spürte er geradezu euphorisiert das ganzheitliche Erlebnis seiner zweiten Taufe im Paradiesesgarten von Zillis Elternhaus.
© Proteusonfire 2021-02-05