Rad an Rad

Roland Kiefer

von Roland Kiefer

Story

40, meine Frau wird 40, im Kopf viele Ideen, für mich, aber nicht ich, sie wird 40 und Ideen für mich. Also was? Sonst hab ich immer viele guten Ideen, aber jetzt unbedingt die beste.

Mondsee, wir fahren nach Mondsee und wir fahren in Mondsee. Nach Mondsee mit dem Auto, in Mondsee mit dem Rennrad. Rennrad, die Idee. Mondsee und Rennrad die perfekte Idee. Denk ich. Wir kaufen das Rennrad und ich melde uns heimlich für den Mondsee Radmarathon an. 70 Kilometer. Perfekt. Für mich. Ich weiß was uns erwartet, glaub ich halt und glaube voll falsch. Meine Frau wird 40 und ist noch nie Rennrad gefahren. 70 km, für mich machbar, für sie eine unvorstellbare Distanz. Sie weiß aber noch gar nichts. Nur ich. Sie nur vom Rennrad. Wir buchen Mondsee.

40. Geburtstag. Geschenke von den Kindern, Mutter, Schwester, Oma. Rennrad und ein Gutschein für den Mondsee-Radmarathon. Verhaltene Freude aber auch Neugierde und auch Wille. 3 Trainingseinheiten im Wienerwald die Spaß und zuversichtlich machen. Mit dem Auto nach Mondsee, gleich zur Anmeldung und Startnummern. Zeit-Chip und Nummer auf die Räder, kontrollieren der Bikes. Letztes Abendmahl, Kohlenhydrate und viel Trinken, früh ins Bett. Leichte Anspannung stellt sich bei uns beiden ein. Bei mir, weil schafft sie das, bei ihr, weil schaff ich das. Wir schaffen das. Unser Motto seit wir uns kennen und bis jetzt alles geschafft.

Frühstück, leichtes Essen und Tee statt Kaffee. Auf´s Klo, einmal, zweimal, dreimal, wir schaffen das. Die Räder sind startklar, wir auch. Runter rollen wir zum Start. Nervös beide. Nur noch ein paar Minuten, letzte Schlucke, Tachometer auf Null, Schuhe zu, Helm passt. Startschuss und los, wir schaffen das. Erste Kilometer am See entlang, wunderschöner Morgen. Es geht ganz locker dahin, ich vorne, meine Frau im Windschatten, der Einzige an diesem Tag, noch. Labestelle und Halbzeit, es läuft und wir ganz sicher: wir schaffen das. Kilometer 50, erste Anzeichen von ich schaff das nicht bei ihr. Ich hoffe doch. Ich spüre hinter mir die nahende Trennung, Verwünschungen und den ersten leisen Anflug von Aufgabe. Leichte Steigungen für mich, unüberwindbare Berge für sie. Wir schaffen das. Der Wunsch der Vater aller meiner Gedanken. Kilometer 60 und Regen setzt ein, nur nicht mehr umdrehen, ja nicht fragen ob alles OK ist. Jede Frage eine zuviel. Jetzt kein falsches Wort mehr, Tempo muss passen, denn Nachfragen kann mittlerweile tödlich sein.

Nur noch ganz wenige Kilometer, für mich, für meine Frau eine nicht enden wollende Tortour. Keine Kraft, keine Endorphine, keine Lust außer auf aufhören zu treten, nur noch stehenbleiben. Sterben. Wozu schaffen.

Das Ziel, die Zuschauer, Anfeuerungen, jeder ein Held. Sie hat wieder Kraft und ein Lächeln auf den Lippen das zum Grinsen über das ganze Gesicht wird. Freudentränen. Geschafft. Stolz, unbändiger Stolz und glücklich und Endorphine gibt es doch. Sie hat es geschafft, das nächste Wir- Schaffen-Das kann kommen – wir schaffen das – alles!

© Roland Kiefer 2019-04-11

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