von Walter Weinberg
Es war vor Pfingsten, als eine schreckliche Meldung in den Nachrichten kam: In Russland hat sich in einem Atomkraftwerk namens Tschernobil ein Atomunfall ereignet. Da ich im Internat war, bekam ich nichts davon mit. Wir hatten ein paar Tage frei zu Pfingsten, und Thomas besuchte mich zu Hause. Wir probierten unsere Katamaran Boote im Schmiedgraben-Teich im Wald aus. Wir hatten die kleinen Segelboote im Werkunterricht aus Tropenholz gebastelt, und wollten sie in See stechen lassen. Als Thomas mit dem Rad nach Hause fuhr, setzte ich mich auf die Schaukel und genoss den warmen Regen.
In den Abendnachrichten hörte ich dann, man soll nicht nach drauĂen gehen, vor allem nicht bei Regen. Einige Wochen zuvor sah ich im Fernsehen den Film âDer Tag Nullâ, der von den Auswirkungen einer Atombombe handelt. Darum war ich mir sicher, wir leben alle nicht mehr lange. Zuerst wĂŒrden alle Tiere sterben dachte ich, dann bekommen wir alle orange Haare, und werden immer magerer bis zum Tod. Ich fragte mich, ob man nicht ein Zimmer im Haus mit Blei verkleiden könnte, um die Strahlung abzuhalten? Als ich merkte, dass es nicht ganz so tragisch verlaufen wird, machte ich Zeichnungen, und schrieb ein Referat darĂŒber, das ich nach Pfingsten meinen Zimmerkollegen vortrug.
Auf die Englisch Schularbeit bekam ich eine unglaubliche Eins. Leider, wie die Lehrerin mir mitteilte, wird sich das nicht auf meine Jahresnote auswirken: âNur ein GlĂŒckstreffer!â Ihr LieblingsschĂŒler hatte eine FĂŒnf, genau wie ich auf meine vorige Schularbeit. Zu ihm sagte sie: âChristof, Du sollst nicht immer nur lernen, das ist nicht gut. Geh auch mal raus und spiel!â Ich hĂ€tte vor Wut platzen können. Das war also mein Lob, obwohl ich wie verrĂŒckt gelernt hatte! Im Herbst schon sagte die Söllinger zu meiner Mutter, dass sie nicht weiĂ, wie ich je Englisch sprechen werde können, ohne das englische ârâ richtig auszusprechen. Meines klang laut Söllinger, wie von unserem Bundeskanzler Sinowatz. Das hatte sich mittlerweile aber gegeben.
Meine Mutter fragte sie diesen Elternsprechtag, ob ich mich verbessert hĂ€tte. Die Söllinger meinte, sie kann sich nicht erklĂ€ren, wie ich eine Eins schaffen konnte: âEs war jedenfalls nur GlĂŒck!â. Ich ĂŒberlegte, ob sie annahm, dass ich geschummelt hĂ€tte. Sie saĂ wĂ€hrend der Schularbeit hinter mir und las Zeitung. Ich war mir sicher, sie hatte ein Loch in die Zeitung gemacht, durch das sie uns beobachtete. Ich nahm mir jedenfalls vor der Söllinger bei der letzten Schularbeit dieses Jahres zu beweisen, dass es nicht nur GlĂŒck war. Leider schaffte ich nur eine Drei. Dadurch gab sie mir dann eine Vier ins Zeugnis. Ich war total frustriert. Ihr LieblingsschĂŒler hatte bei allen Schularbeiten die selben Noten wie ich, bekam aber eine Zwei. Das war mir zu viel der Ungerechtigkeit, und ich suchte Hilfe bei meinem PrĂ€fekten. Ich schilderte ihm mein Anliegen. Er antwortete, er werde mit ihr reden. Leider bekam ich keine Chance mein GenĂŒgend im Zeugnis auszubessern!
© Walter Weinberg 2020-08-08