Raumschiff ENTERPRISE im Köcherbaumwald

Klaus P. Achleitner

von Klaus P. Achleitner

Story

„I will show you the wonder of this rocks!“, kündigt Mr. Steenkamp mystisch an und hebt einen Stein vom Boden auf. Er tritt zu einem der mannshohen braunen Felsen und schlägt dagegen. Es hört sich metallen an. Hoher Eisengehalt. Klangstein.

Steenkamp, gutaussehender Bure mit meerblauen Augen, hat uns hergeführt. Vorbei an den Fossilien von Mesosauriern und dem einsamen Grab eines während des Herero-Aufstandes 1904 gefallenen Schutztrupplers.

Musiker Reini ist sofort begeistert und schlägt ein paar Takte. Was könnte man auf dieser Klangsteinbühne für herrliche Konzerte geben? Wir stehen auf einer von Köcherbäumen (Quivertree), Felsen und gelbem Gras übersäten Hochfläche nahe Keetmanshoop. Der seltsamste Wald, den zu betreten ich je die Gelegenheit hatte. Wald? Über das 150 km² große Farmgelände verteilen sich ein paar hundert dieses bis zu 7 m hohen Gewächses, das aussieht, als stecke der pergamentartige Stamm verkehrt herum in der kargen Erde. Ein Aloe-Gewächs und somit streng botanisch eine Blume. Eine Blume, die 300 Jahre alt wird!

Die San und Nama haben früher Pfeilköcher aus den Ästen des Kokabooms hergestellt, daher der Name. Es gibt sie in weiten Teilen Namibias, doch nur hier so gehäuft, dass man mit viel Fantasie und etwas touristischem PR von einem Wald sprechen kann.

Steenkamp freut sich über unsere Begeisterung und lässt uns allein mit der urwüchsigen Landschaft. Wir fühlen uns wie das Landekorps von Raumschiff Enterprise, als wir uns auf Entdeckungsreise begeben, Quivertrees umarmen, auf Klangsteine klopfen, über Felsen klettern. Captain Kirk, Doc McCoy und Scotty auf der Suche nach intelligentem Leben. Sie finden: unendliche Freiheit, grenzenlose Einsamkeit und tiefe Zufriedenheit.

Unser Jeep wirkt zwischen den bizarren Felsen wie eine weisse Landefähre. Er gehört nicht hierher. Wir gehören nicht hierher. Wir sind Aliens! Es ist Buschleuteland. Wir verbringen Stunden dort, bar jedes Zeitgefühls. Ein plötzlicher Regenguss – früher Vorbote der kommenden Regenzeit – treibt uns zur Landefähre zurück.

Im Gästeraum der Farm hängt an der Wand eine Ansichtskarte aus der Schweiz mit schneebedeckten Gipfeln. „I never visited Europe“, sagt Steenkamp kein bisschen traurig, „I never saw snow!“ Daneben sein Hochzeitsbild. „My wife Melitta from Mariental. We have married just a year ago, today is our wedding day!“ Ich gratuliere herzlich. Mariental ist der Nachbarort, 180 km entfernt. Für hiesige Verhältnisse gleich ums Eck. Verklärt blickt er auf seine hübsche Frau. „We want 4 children!“ Ich frage, warum ausgerechnet 4? Er deutet zum Fenster hinaus und meint, er habe genug Platz. „Then, Mr. Steenkamp, you should have 10 kids or more!“ Er lacht. Hab ich spitze Ohren gesehen? Nein, doch kein Halbvulkanier. Wir entern unsere allradgetriebene Landefähre und düsen ab. Energize, Mr. Scott!

Die Wüste, unendliche Weiten. Wir schreiben das Jahr 2008. Dies sind die Abenteuer von Reini, Franz und Klaus.

© Klaus P. Achleitner 2020-06-20

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