#rauswurf

Eva D

von Eva D

Story

Harfe also. Gut. Während andere Kinder die Ohren ihrer Mitmenschen mit Flötentönen quälen oder in Gitarrensaiten schlagen, möchte meine Tochter Harfe lernen. Nach einem Anruf in der Musikschule haben wir an diesem Winternachmittag einen Termin bei einer russischen Musiklehrerin und ihrem Instrument.

Davor aber will ich mit meiner Tochter noch zum Friseur gehen. Der Salon, den ich immer besuche, hat ein tolles Angebot: Junge Menschen im letzten Lehrjahr schneiden dort Kindern zum günstigen Preis die Haare. Mein Kind liebt es, dort „wie die Großen“ mit altersgemäßen Zeitschriften, Obst und Erfrischungen verwöhnt und mit Lockenstab zur Prinzessin gestylt zu werden.

Wir erscheinen pünktlich, die Mini-Kundin wird zum Platz geleitet, während ihr kleiner Bruder und ich auf der bequemen Lederbank Platz nehmen und etwas zum Spielen suchen. Nach einer kurzen Vorbesprechung begleitet der junge Mann meine Erstgeborene zum Waschbecken. Wieder zurück, nimmt sie Platz und wird mit dem Sessel hochgepumpt. Der freundliche Teenager frisiert und frottiert ihre Haare. Alles wie immer.

Doch da: Erst ein stutziger Blick des jungen Mannes, dann ein zweiter. Bei dem ist er mit seinem Gesicht so nah am Scheitel meiner Tochter, dass seine Nasenspitze fast ihre Haare berührt. Eigenartig! Was tut der da?

Die Auflösung folgt prompt: „Bitte gehen Sie wieder, das Kind hat Läuse.“ Wie bitte? Er eilt zur Box, in die er gerade das nasse Handtuch gesteckt hat, holt es wieder heraus und föhnt meinem Kind notdürftig den verlausten Kopfbewuchs. Ich möchte im Boden versinken, mitsamt meinen Kindern. Bitte jetzt gleich und sofort!

Entschuldigungen stammelnd packe ich meinen Nachwuchs zusammen. Der junge Mann meint, kann passieren, es wäre nicht schlimm, aber wir sollen bitte gehen. Wie überaus peinlich!

Wieder draußen atme ich durch und überlege, was ich jetzt tun soll, wo wir doch in etwas mehr als einer halben Stunde das Treffen mit der Harfen-Lehrerin haben. Nach ein paar Minuten Hirnarbeit entscheide ich mich hinzugehen, weil ich wirklich lange auf den Termin gewartet und auch keine passende Absage parat habe. Die Wahrheit möchte ich wirklich nicht erzählen.

Das Kind wird instruiert, in der Musikschule auf gar keinen Fall (!) die Haube abzunehmen und bald sitzen wir bei Frau Angela, die uns das Instrument erklärt und zupft. Leider bin ich vollkommen unkonzentriert, denn vor meinem inneren Auge sehe ich eine ganze Armee Läuse sich feierlich auf den Weg nach draußen machen – begleitet von Harfenklängen aus russischen Kompositionen.

Irgendwann ist der Termin zu Ende und ich kann endlich wieder raus. Nach einem kurzen Stopp bei der Apotheke finden sich Schwester und Bruder in der Badewanne wieder – mit jeder Menge Shampoo am Kopf.

Die Leichen werden abgewaschen, die Betten frisch bezogen. Was für ein Tag!

© Eva D 2020-07-25

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