Reale Träume

Es ist abends. Eigentlich schon nachts. Oder sehr früh morgens, je nachdem, wen man fragt.

Sie sitzen zusammen am Tisch. Die Kerze, die vor einigen Stunden noch neu sehr viel höher war, ist mittlerweile merkbar kleiner geworden. Ihr Licht spiegelt sich in der Fensterscheibe wider. Sie kann zwar nichts von der Außenwelt erkennen, so dunkel ist es, aber sie weiß trotzdem, wie es draußen aussieht. Die Blätter der Bäume haben sich so verfärbt, dass jeder erkennen kann, dass Herbst ist. Die Jahreszeit, die den Sommer mit dem Winter verbindet. Draußen ist die Luft jetzt morgens so, dass sie den Winter ankündigt, zwar kalt, aber nicht unangenehm beim Atmen. Sie riecht nach Vorfreude auf Momente, in denen man Kerzen anzünden kann, um die Zeit mit Gesprächen, wie sie jetzt eines führen, zu verbringen. Über Hoffnungen und über Träume. Geträumte und reale.

Die Frage ist, warum wir träumen, sagt sie. Warum träumen wir? Träumen wir, um Erlebtes und Gefühltes und Gewünschtes zu verarbeiten?

Klar, bestimmt. Oder wir träumen, damit wir uns unserer Wünsche erst bewusst werden können, fügt die andere hinzu. Damit wir wissen, was wir außerhalb vom Traum wirklich wollen.

Was ist dann mit erträumten Gefühlen? Denkst du, dass die Gefühle, die wir in Träumen empfinden, auch in der Realität zählen?

Gehören unsere Träume denn zu unserer Realität?

Kann schon sein. Wahrscheinlich hängt die Antwort davon ab, wen man fragt, antwortet sie. Stell dir vor, dass wir beim Träumen unsere Gedanken mit anderen teilen würden. Erträumen wir uns so vielleicht auch die Wünsche und Hoffnungen und Ideen von anderen Menschen und nicht nur von uns selbst? Wie können wir uns dabei der Wahrheit sicher sein? Wenn wir sie uns möglicherweise nur in unseren Träumen gewünscht haben?

Aber träumen wir denn eigentlich nur während des Schlafens? Denn wenn nicht, sind Träume tatsächlich ein Teil der Realität. Und dann ist ja ganz klar, weshalb wir träumen.

Beide schauen gedankenverloren auf die Fensterscheibe. Hinein in die Spiegelungen, die dort zu sehen sind.

Ach, ja? sagt sie schließlich nachdenklich. Wie kann dir das ganz klar sein?