von Eva Filice
Gubbio ist eine erlebenswerte Stadt in Umbrien, in 522 m Höhe gelegen. Die AtmosphĂ€re der PalĂ€ste aus Stein verleitete mich zu einem Gedankenausflug in die Vergangenheit. Diese ist auf Schritt und Tritt zu spĂŒren. Die Hinterlassenschaft der unterschiedlichen Kulturen der vergangenen 2000 Jahre faszinierte mich. Traditionen werden hier hochgehalten. Wir erlebten die Vorbereitungen zum bedeutendsten Ereignis des Jahres, das zu Ehren des Stadtheiligen Sant‘ Ubaldo tagelang die Menschen der Stadt in Feierlaune versetzt.
Am Monte Ingino, an dessem Hang die Stadt Gubbio liegt, befindet sich die Basilika von Sant‘ Ubaldo (gest. 1160), des Patrons von Gubbio. Ein Pilgerweg fĂŒhrt von der Piazza Grande mit dem beeindruckenden Palazzo dei Consoli ĂŒber Stiegen und steile Pfade durch den Wald zum Gipfel des Monte Ingido. In dieser Kirche werden drei „Ceri“ aufbewahrt, die jedes Jahr am 15. Mai die Hauptattraktion des Festes darstellen.
Der Aufstieg zur Basilika ĂŒber den Pilgerweg war uns zu mĂŒhsam. Eine Funivia, eine Seilbahn fĂŒr Mutige, bringt die Menschen in 6 Minuten auf den 908 Meter hohen Berg. Das Besteigen der besonderen Gondel erfordert Ăberwindung und die Passagiere sollten keine Höhenangst verspĂŒren. Die Gondel mit Rundumsicht kann alleine oder zu zweit benĂŒtzt werden. Drinnen stehend schien es mir, als stĂŒnde ich in einem groĂen VogelkĂ€fig, der mir bis zur Brust reichte und nach oben offen war. Es war aufregend so im Freien, nur geschĂŒtzt von StĂ€ben in die Höhe zu schweben. Hinauf fuhren wir zu zweit, hinunter entschieden wir uns einzeln im GondelkĂ€fig hinabzugleiten.
In der Basilika bewunderten wir die drei „ceri coronati“. Das sind handgefertigte 5 Meter hohe sĂ€ulenartige „Kerzen“ (ceri) aus Holz mit kunstvollen Intarsien. Auf jedem dieser 400 kg schweren Holzprismen thront am Tag des Festes die Statue eines festlich gekleideten Heiligen. Sant‘ Ubaldo, Sant‘ Antonio Abate und San Giorgio werden von der Piazza Grande vor dem Palazzo dei Consoli bis zur Basilika di Sant‘ Ubaldo von drei Mannschaften im Laufschritt ĂŒber den Pilgerweg hinaufgetragen. Ein Ă€lterer Herr erklĂ€rte uns begeistert die Vorgangsweise des Festes. Eine Woche vor dem 15. Mai werden die „ceri coronati“, die mit den Statuen der Heiligen „gekrönten Kerzen“, von der Basilika zur Piazza Grande gebracht. Am 15. Mai, dem bedeutendsten Tag des Jahres, wird jeder Heilige auf ein Tragegestell aus Holz gesteckt und von ausgewĂ€hlten MĂ€nnern auf den Berg gebracht. Die drei Mannschaften in traditionellen Kleidern in verschiedenen Farben benötigen Kondition, Kraft und Ausdauer. Ohne zu halten, findet im Laufen eine Ablöse statt. Als Gewinner steht immer Sant‘ Ubaldo fest, denn ihm zu Ehren wird diese Tradition unter groĂer Anteilnahme und Begeisterung der Bevölkerung und der GĂ€ste jĂ€hrlich am Vorabend des Patronatsfestes zelebriert.
Der Blick von oben auf die Altstadt und die Umgebung Gubbios an diesem sommerlichen Tag lieà in meinem Kopfkino die fröhliche Stimmung der an der Prozession teilnehmenden Menschen entstehen. Die Lebenslust von heute verbindet sich mit den Traditionen der Vergangenheit und vereint Jung und Alt durch das friedliche Miteinander.
© Eva Filice 2023-05-08