Reise nach Belgien 3-Die Papageien in Brüssel

Herzgespann

von Herzgespann

Story
Brüssel 2023

Am Morgen nach unserer Ankunft in Brüssel freuen wir uns über das laute Zwitschern der Vögel. Als wir am Abend unser Hotel noch einmal für einen kleinen Snack verlassen, hören wir das Vogelgezwitscher wieder und mein Mann merkt an, dass das hier in Brüssel besonders laut klingt. Mir fällt auf, dass es mich an die Wellensittiche meiner Kindheit erinnert. Die armen! Man sollte wirklich keine Vögel in Käfigen halten.

Meine Schwester und ich hätten eigentlich gerne einen Hund gehabt, meine Eltern waren aber beide berufstätig und hätten sich nicht kümmern können. Wir beide gingen gerade einmal in die Volksschule, wären also bei der Betreuung auch keine große Hilfe gewesen. Mit Katzen hatten wir schon eher schlechte Erfahrungen gemacht, die erste verstarb nach wenigen Wochen, die zweite entwickelte sich zu einer bissigen Bestie, der niemand zu Nahe kommen durfte. Zum Trost bekamen wir jeder einen Wellensittich. Ich einen grünen – Max, meine Schwester einen blauen – Moritz. So ganz sicher waren wir uns allerdings beim Geschlecht der Vögel nicht. Über lange Jahre begleitete uns das laute Gezwitscher der Wellensittiche, zuerst das unserer beiden. Sie durften in unserem Zimmer fliegen und im Sommer standen sie oft auf dem Balkon. Dabei flog uns ein etwas größerer grauer Wellensittich zu, der auf einmal auf dem Käfig saß. Großzügig nahmen wir ihn auf, nicht ahnend, dass er sich zu einem wahren Killer entwickeln würde, der unsere beiden Sittiche tatsächlich umbrachte. Zuerst den blauen, dann den grünen. Wir fanden sogar Blutspuren im Käfig. Wahrscheinlich war er nicht irrtümlich entwischt, sondern von seinen vorigen Besitzern ausgesetzt worden. Von da an begleitete uns nur noch Pieps, wie wir ihn originellerweise getauft hatten, mit seinem Gezwitscher noch für viele Jahre. Er wurde steinalt und weil er wegen seiner Aggressivität gegenüber Artgenossen immer alleine blieb, rupfte er sich aus Langeweile einen großen Teil seiner Federn aus.

Aber zurück nach Brüssel, wo wir unter einem Baum stehen, aus dem lautes Vogelgezwitscher kommt, dass uns eher an Sittiche oder Papageien erinnert als an Singvögel. Leider ist es schon zu dunkel, um viel zu erkennen, aber in dem Baum sitzt ein Vogel, der wie ein großer Wellensittich aussieht, zumindest das, was man von ihm erkennen kann.

Ich beginne im Internet zu recherchieren und tatsächlich leben in Brüssel, aber wohl auch in einigen anderen europäischen Städten, tausende Papageien. Hier sind es vor allem grellgrüne Halsbandsittiche, die bevorzugt in Baumhöhlen nisten, die sie in Brüssel anscheinend zur Genüge finden. Auch den europäischen Winter überstehen sie anscheinend problemlos, vor allem in den Städten, wo es doch etwas wärmer ist. Über die Herkunft der Sittiche gibt es unterschiedliche Angaben. Alle stammen wohl von vierzig in den siebziger Jahren freigelassenen Vögeln ab. Einem Bericht ist zu entnehmen, dass der Zoodirektor sie freiließ, um die Stadt bunter zu gestalten, einem anderen, dass sie aus einem aufgelassenen Freizeitpark frei gelassen wurden, weil niemand sie haben wollte.

© Herzgespann 2023-07-24

Genres
Reise
Stimmung
Abenteuerlich, Informativ