von Fabiennne
Londontour, nein nicht Stadtgebiet, sondern ziemlich weit im Londoner Osten und eigentlich waren wir gar nicht mehr in London unterwegs, sondern irgendwo in diesem großen Dreieck von London, London Stansted Airport und Bailsdon. In die eine Richtung von London weg so vierzig Kilometer, in die andere Richtung so fünfzig Kilometer und von Bailsdon nach Stansted auch gute vierzig Kilometer zwischen den Orten. Wer sich da näher auskennt, sagt mit Kennermine „westliches Essex“.
Kleine schnuckelige Häuschen, langgezogene Alleen, führen zu sanften Hügeln, die mit vielgrünfarbigen Ackerlandschaften abwechseln. Dazwischen mäandernde Flüsschen, an deren Ufern sich Bäume entlang schlängeln, ein paar Sträßchen, Feldwege, dann wieder Wälder, prächtige Landsitze, umgeben von Weiden und Wiesen, hingestreut Dörfer, mit urigen Fachwerkhäusern, Pubs und Teestuben. Der Maler John Constable war hier zu Lebzeiten unterwegs und bestimmt bewunderte er auch schon die unzähligen, viele hundert Jahre alten Stätten, Burgruinen, schöne Tudor-Gebäude und Kirchen.
„Da vorne wohnt Rod Stewart“, hieß es auf einmal
„Wo?“, kam es von mir.
„Na da vorne, siehst du?“
Nein ich sah nichts oder doch sehr viel. Ein Patchwork aus Grün an Grün tat sich vor meinen Augen auf, dazu Bäumchen, so groß wie aus dem Modellbaukasten. Alles ziemlich gleich grünfarben. Das eine Grundstück dort zwischen den anderen Grundstücken, das sollte es sein. Wow, irgendwie ähnelten sich die Grundstücke doch alle, dass eine zwar ein bisschen größer und das andere ein bisschen kleiner, eines grüner wie das andere und so betrachtet irgendwo mittendrin in der Grundstückeansammlung, das mit dem Haus, in dem Rod Stewart wohnen sollte.
„Da, schau, das Grundstück dort mit den hohen Bäumen drum rum, das ist es.“
Ein echter Rod Stewart Fan wäre jetzt vielleicht in helle Aufregung verfallen, dem Idol quasi auf den Mittagstisch schauen zu können, gelingt auch nicht alle Tage. Ich schaffte es immerhin zu einem „Ah, interessant.“
„Ja, wir dürfen nur nicht näher hin, sonst verletzen wir geltendes Recht.“ Und schon waren wir wieder weiter.
Zwanzig Minuten später kamen wir auf einer der vielen grünen Wiesen an, die als Landefläche für durch die Lüfte fliegende Objekte diente. Hier für einen Ultralightflieger, jene zweisitzigen Flugteile, die es schon weiter gebracht haben, um nicht mehr als motorisierter Drachenflieger abgestempelt zu werden, nur den Sprung zum „echten“ Flugzeug jedoch auch nicht schafften.
Es war wieder eine dieser beruflich veranlassten Reisen mit Mehrwert. Ich sollte eine Kollegin weiter in Fachthemen einarbeiten. Sie hatte Wochen zuvor den Piloten des Ultralightfliegers kennengelernt, der ihr versprach, beim nächsten Mal die Landschaft von oben anzuschauen. Mir bescherte es den Genuss dieses unerwarteten Flugerlebnisses, auch wenn ich nicht wirklich sagen kann, auf welchem Grundstück Rod Stewart wohnend vermutet wurde.
© Fabiennne 2021-01-20