Resonanz – „Auf ewig II“

Susann Gersten

von Susann Gersten

Story
Dresden

„Tom.“ Madlen musste sich beherrschen. Ihr Herz setzte einen Schlag aus – dann wurde es laut, schneller, unkontrollierbar. Ein einziger Gedanke durchfuhr sie wie ein StromstoĂź: „Verdammt.“ Sie schluckte hart, spĂĽrte, wie sich Tränen in ihren Augen sammelten. Sie wusste nicht einmal genau, warum. Es war einfach da. Ăśberwältigend. Tief. Und das alles – obwohl sie mit Philip gerade mal einen Monat zusammen war.

Die Zeit verging – und dann kam jener Tag, an dem sie Tom, den jüngeren Bruder, zum ersten Mal wirklich begegnete. Er hatte sie und Philip zu seinem Geburtstag eingeladen, in seine Wohnung. Da stand sie nun. Ihm gegenüber. Dem Menschen, an den sie ihr Herz verlor – inmitten eines einzigen Fotos. Tom war deutlich jünger als Madlen, doch bereits Vater. Er hatte noch eine Freundin, von der er sich später trennte. Ein kleines Mädchen hatte er – so süß. Und zwischen Tom und Madlen entstand sofort eine Vertrautheit, die sie erschreckte. So viel Nähe. So viel Vertrauen. Mehr, als sie wollte und zulassen konnte. Immer wieder ertappte sie sich bei dem Gedanken:
„Das darf nicht sein!“ Die Tage und Monate vergingen. Madlen blieb bei Philip. Aber das Leben prüfte sie. Immer wieder kreuzten sich ihre Wege mit Tom – ob zufällig oder vom Schicksal inszeniert, ließ sich nie sagen. Dann kam die Zeit der Abenteuer. Madlen, Tom und Philip – ein Dreiergespann. Sie fuhren in die Berge, gingen wandern, entdeckten die Welt. Und immer dabei: ihre Kameras – ihre kleinen Babys. Madlen entwickelte sich weiter, wagte den Sprung in die Selbstständigkeit als Fotografin. Sie baute sich eine Website auf, gewann erste Kunden, sammelte Aufträge. Tom arbeitete noch in der Flugzeugwerft – war inzwischen aber Single und dachte ebenfalls über einen Neuanfang nach.

„Hey Madlen, hättest du mal Zeit, ein paar Portraitbilder von mir zu machen?“ Seine Stimme am Telefon – dieses Lächeln darin, das jeden zum Schmelzen brachte. Sie lächelte leise zurĂĽck. „Ja, gerne“, antwortete sie. Es war Herbst. Die Blätter trugen bereits ihr goldenes Kleid. Die Luft roch nach Erde und Vergänglichkeit. Sie trafen sich in einem Park. Spazierten nebeneinander. Redeten. Lachten. Sahen sich an. Und Madlen war… glĂĽcklich. Einfach so.
Warum, das konnte sie sich selbst nicht erklären. „Verdammter Mist“, dachte sie. Sie fotografierte ihn. Und sein Lächeln? Es brachte sie zum Schmelzen. So viel Resonanz. So viel Gutes lag in der Luft, reines, echtes. Etwas, das sie noch nie erlebt hatte, ein Gefühl von Freiheit, nichts war unfrei. Er war vergeben. Er war der Bruder ihres Freundes. Und wieder „Verdammter Mist.“ Und doch mochte sie dieses Unerreichbare in dieser Verbindung. In seiner Nähe konnte sie sich selbst auf gute Weise erfahren. Und sie fühlte sich – einfach wohl.

Die Monate vergingen. Aus Herbst wurde Winter. Aus Winter wurde Frühling. Ein Jahr ging ins Land. Der Sommer kam. Tom hatte inzwischen eine neue Freundin. Und Madlen war noch immer mit Philip zusammen. Sie trafen sich alle zu einem Badeausflug am See. Philip und Madlen genossen die Sonne – einfach nackt, einfach FKK.

Fortsetzung Teil III in meiner Story

© Susann Gersten 2025-05-16

Genres
Romane & Erzählungen
Stimmung
Herausfordernd, Emotional, Hoffnungsvoll, Inspirierend, Angespannt
Hashtags