von HelgaP
Noch sind die Eindrücke frisch und intensiv: wenn ich meine Augen schließe und mein innerer Blick die vergangenen Tage abtastet, sitze ich wieder im Hot Tub in Hvarmalid auf Island. Schwefelduftendes 40 gradiges Wasser, ein eiskalter Wind der den Kopf trotz Stirnband sehr kühl hält. Dort schwirren auch die vielen Bilder der vorangegangenen Tage wie ein dicht komprimiertes Fotobuch herum und bald öffnet sich die eine oder andere Seite. Erinnerungen, verbunden mit buntesten Gefühlen und allen Sinneseindrücken, derer ein Mensch mächtig ist. Unendlich weite Lavafelder, schneebedeckte Berge, tosende Wasserfälle, die uns unbarmherzig durch ihren Schleier aus Minitröpfchen in Sekundenschnelle durchnässten. Die zarten Knospen der verkrümmten Birken, deren Grün trotz der kalten Witterung mit jedem Tag an Dicke und Farbintensität zunahmen. Die mystische Wanderung bei Thingvellir, wo die eurasische und amerikanische tektonische Platte aufeinander treffen und wo aus einem Kultplatz die Stelle wurde, an der 1944 der selbständige Staat Island entstand. Die Spannung vor dem Geysir Strokkur zu stehen, der durch seine warmen Wasserejakulationen alle Umstehenden zu entzückten und beeindruckten Ausrufen brachte.
Wie erhebend lag die Gletscherzunge des Vatnajökulls vor uns. Riesig, unendlich weit, obwohl nur ein kleiner Teil eines unfassbar großen Massives. Strahlend weiß aus der Ferne, schmutzig grau mit gefährlichen Spalten und Schluchten aus der Nähe. Doch wenn die abgekalbten Eisberge und Gletscherbrocken in der Lagune landeten und dem Meer zu schwammen, erstrahlten sie wieder in einem herrlichen Eisblau, das dem Disneyschloss der Eiskönigin Elsa alle Ehre bereitet hätte.
Wie schön war es, eine Woche mit seinem Sohn zu verbringen. Die Ängste, wie sich unsere verschiedenen Tagesrythmen in ein reisefähiges Muster vereinen lassen würden, waren unbegründet. Die gemeinsame Begeisterung über die gewaltige Naturkulisse Islands ließ keine größeren Eklats aufkommen. Auch wenn die mütterliche Fürsorge zeitweise durchaus ausgereizt wurde. Wozu sind Absperrungen da, wenn man diese nicht fast immer um einen Schritt überschreiten kann? Welche Höhle oder Felsspalte will nicht kantennah untersucht werden, auch wenn der Autoschlüssel in der Hosentasche des Erforschers steckt und bei einem Absturz ein hilfloses Mütterlein allein auf weiter isländischer Steinhalde zurück geblieben wäre? Egal, alles ist gut gegangen. Meine zeitweisen Klageanflüge wurden durch den Luxus, einen fähigen Chauffeur zu haben, wettgemacht. Die hohen Abgründe, die unübersichtlichen Kuppen und schmalen Straßen ließen Sohnemann unbeeindruckt und ich konnte mich gemütlich als Beifahrerin einem exzessiven Betrachten der überwältigenden Landschaft hingeben.
Resümee: unsere Islandreise war herrlich und wunderschön, auch wenn die Elfen und Trolle bei meinem Bad im Hot Tub mit ihrer Abwesenheit glänzten.
© HelgaP 2022-05-15