Retter

Isabel Gurschke

von Isabel Gurschke

Story

Mein Magen zieht sich zusammen und der nächste Schluchzer löst sich, aber ich wehre mich nicht. Weder gegen das Schütteln meines Körpers noch gegen den Griff an meinem Arm. Ich werde auf die Beine gezogen. Dann laufen wir. Ich kann durch meinen Tränenschleier nichts sehen, versuche Schritt zu halten und blind einen Fuß vor den anderen zu setzten. Egal wie häufig ich strauchle, die Hand um meinen Arm zieht mich immer wieder auf die Füße, schlägt entschieden Haken, bis die lauten Rufen und das spöttische Lachen hinter uns verstummen. Nach einer letzten scharfen Kurve kommen wir zum Stehen. Die Finger, die sich bis jetzt schmerzhaft in meine Haut gedrückt haben, lösen sich und ich verliere das Gleichgewicht. Meine Knie landen unsanft auf dem steinigen Boden. Und für einen Moment kann ich nichts tun außer atmen. Das Adrenalin rauscht noch immer in meinen Ohren. Meine Lunge und meine Augen brennen vom Rennen und Weinen. Vorsichtig bewege ich mich, wische mir über die Augen im Versuch, meinen Blick zu klären ohne mich durch meine Bewegungen in noch mehr Gefahr zu bringen.
„Alles gut. Ich glaube, wir sind sie fürs erste losgeworden.” Bashs leise Stimme ist nur Zentimeter von meinem Ohr entfernt, als er mir vorsichtig eine kurze blonde Strähne hinters Ohr streicht. Ein neuer stummer Heulkrampf rollt über meinen Körper. Oh Gott! Ich hätte nie gedacht, dass ich mich mal so erleichtert sein würde, ihn zu sehen. Mir so was von egal, wie er mich gefunden hat und warum er hier ist. Hauptsache, ich bin nicht allein in diesem Wald mit Artemis und ihren Anhängerinnen.
„Bist du verletzte? Wurdest du von einem der Pfeile getroffen?” Ein Hauch Panik hat sich in seine Stimme geschlichen und ich merke, wie er mich nach Verletzungen abtastet.
„Danke.” Meine Stimme ist nicht mehr als ein Krächzen und ich suche seinen Blick. „Du hast mir das Leben gerettet.” Er weicht meinem Blick aus, scannt stattdessen die Umgebung. 
„Noch habe ich dich vor gar nichts gerettet. Wir müssen erst mal die Nacht hier überstehen. In der Dunkelheit haben wir keine Chance, an ihnen vorbei aus dem Wald zu kommen.” Ich folge seinem Blick. Das Sonnenlicht war mittlerweile fast vollständig verschwunden. Wie lange wir wohl gerannt sind? Bash wirkt gar nicht angestrengt, während mein Herz noch immer Marathon läuft und jeder Atemzug schmerzt. Hinter uns ist ein großer Felsen und auch seitlich sind wir durch kleineren Brocken abgeschirmt. Ein kleiner Rückzugsort. Ich merke, wie ich anfange zu zittern. Auch Bash scheint es zu bemerken. Er reißt seinen Blick vom Wald los und setzt sich mit dem Rücke an den großen Felsen. Dann bedeutet er mir zu ihm zu kommen. Unfähig mich aufzurichten, schiebe ich mich auf allen vieren in seine Richtung. Als ich nah genug bin, greift er sanft meine Hand und zieht mich auf seinen Schoss. Mein Herz und Atem stocken und ich merke wie, mein Blut mir ins Gesicht schießt.
„Wir können kein Feuer machen, aber du bist völlig nass und ausgekĂĽhlt vom SchweiĂź und der hohen Luftfeuchtigkeit. So kann ich dich zumindest ein bisschen wärmen und hoffentlich verhindern, dass du auskĂĽhlst.” Seine Stimme ist rau, sein Blick stur geradeaus in die Dunkelheit gerichtet. Meine Wangen glĂĽhen. Normalerweise wĂĽrde ich protestieren, aber durch die Kälte und das fehlende Adrenalin sind mein Körper und meine Gedanken schwer. 
„Danke.”, murmle ich bevor ich in die einladende Dunkelheit meines Geistes davon drifte.

© Isabel Gurschke 2023-08-31

Genres
Romane & Erzählungen, Science Fiction & Fantasy
Stimmung
Abenteuerlich, Herausfordernd, Dunkel, Emotional, Mysteriös
Hashtags