“Wollen Sie das Kind bekommen?”, hallte die Stimme des Gynäkologen ernst durch den hohen Raum der Altbau–Praxis. Kurz sprachlos und völlig irritiert, fragte meine Mutter nach der kurzen Schrecksekunde nach, wie sie diese Frage denn bitteschön genau zu verstehen hätte?
Der alte, immer freundliche Privatarzt wiederholte seine Frage und fügte eindringlich hinzu: “Wenn sie das Kind bekommen wollen, dann gehen Sie jetzt schleunigst nach Hause, legen sich ins Bett und bleiben dort bitte die nächsten Monate ruhig liegen, ansonsten verlieren Sie ihr Baby!”
Unter Schock stehend, mit abertausenden, wild tobenden Gedanken im Kopf, fuhr Mama nach Hause, berichtete meinem Vater und ihrer Mutter von der einschneidenden Hiobsbotschaft und tat wie ihr geraten – sie legte sich hin! Für Mama eine der schwersten Aufgaben ihres Lebens, denn nur faul herum zu liegen oder untätig zu sein, war niemals ihre Art, weil es doch ständig so Vieles zu meistern oder zu renovieren gab im alten Reihenhaus.
So zogen die Tage und Wochen ins Land, als meine tapfere Mama plötzlich, noch obendrein, von einer schweren Grippe heimgesucht wurde. Die schwerste Grippe, die sie jemals in ihrem Leben ereilt hatte. Wäre sie nicht ohnedies schon so folgsam gelegen, wäre sie spätestens in diesem Moment umgekippt und flach gelegen. Als das Fieberthermometer in intergalaktische Höhen kletterte, begann sogar, mein immer gelassener Vater, das erste Mal wirklich zu zittern und panische Angst zu zeigen. Kurzum Verlustangst, die angesichts des dramatischen Zustands seiner liebenswerten Ehefrau gar nicht übertrieben schien, und die er wohl sein ganzes Leben mit sich geschleppt haben musste, jedoch in seiner narzisstischen Manier, im Alltag, perfekt zu kaschieren verstand.
Ein wahrer Überlebenskampf, den auch ich, noch gar nicht auf der Welt, schon zu bewältigen gehabt hatte. Der Rhesusfaktor der Eltern, spielt bekannterweise eine bedeutsame Rolle für das Ungeborene und da bei meinen Eltern eine Mischung aus positiv und negativ vorlag, dürfte dieser Umstand für all die schwierigen Umstände mit verantwortlich gewesen sein.
Wir überlebten und als ich mich einen Tag nach dem errechneten Geburtstermin ankündigte, sprich, dabei war, das Licht der Welt erblicken zu wollen – was v.a. auch astrologisch gesehen, einen nicht unerheblichen Unterschied mit sich brachte – gab es nochmals einen heftigen Kampf zu meistern. Dem großartigen Gynäkologen war es zu verdanken, dass er, dank seines Wissens sowie Genauigkeit erkannte, dass die Plazenta gerissen und nicht vollständig abgegangen war. Ein sehr gefährliches Geschehen. Sofort leitete er die Narkose für eine Notfalls–OP ein und sorgte dafür, dass auch für meine Mutter alles heil ausging.
Mein Leben, das trotz aller anstrengender Kämpfe, mit dem zauberhaften Ausruf der Hebamme: “Eine Puppe!“, begonnen hatte, war wahrlich nicht immer ein Spaziergang gewesen – doch ich bin – ich lebe – ich liebe – und ich glaube …
© RENAvonRAVENSTEIN 2022-03-18