Roll over

Cornelia Steininger

von Cornelia Steininger

Story

Es gibt Themen, über welche man für gewöhnlich nur mit vorgehaltener Hand spricht. Nicht jedoch, wenn sich die Welt in einem Ausnahmezustand befindet, wie in den letzten zwei Jahren. „Mach dir nicht gleich ins Hemd!“, mag deine innere Stimme dich aufzuheitern versuchen, aber die Magengegend scheint wohl anderer Meinung zu sein.

Nur so kann ich es mir erklären, dass ein nicht ganz nebensächliches Produkt am stillen Örtchen plötzlich Berühmtheitsgrad erlangt hat: das Toilettenpapier. Und wie ergeht es der Spezies Mensch im Falle von plötzlich hereinbrechenden Umwälzungen im Leben? Diese wandern oft ohne Umwege direkt in den Magen und sorgen dort für unbehagliches Rumoren. Auf weitere Details will ich hier aus Pietätsgründen nicht eingehen!

Aus diesem Grund versäumt man im Moment nicht viel in der Welt da draußen, da man ja weiß, was der Nachbar macht, bzw. wo er gerade sitzt …

Wie schnell doch der Mensch in Panik zu versetzen ist! Man hört, es gibt einen Engpass und schon drückt es einem die Schweißperlen auf die Stirn (und man ist froh, wenn es nur da drückt). Egal, man braucht es jetzt, sofort und überhaupt! Und schon drängen die Leute wie wild, eine Doppelpackung Klopapier unter die Achseln eingezwickt, zu den Kassen.

Und wie die Zeit am besten überbrücken/aussitzen? Wo der Mensch doch für gewöhnlich so ein geselliges Wesen, und gern mal in größerer Runde anzutreffen ist. Ich habe mit Verwunderung einen Tipp eines Psychologen in einer namhaften Zeitung gelesen, der in etwa lautete: „Verabreden Sie sich doch mit Ihrem Nachbarn vorm Fenster zum Musizieren, gemeinsamen Klatschen und Zuwinken!“ Ich denke, wenn wir anfangen, DAS umzusetzen, dann ist das Thema Klopapier das geringste Problem, das wir haben.

Nebenbei bemerkt, nehme ich seit Kurzem die ersten seltsamen Anwandlungen nach längerer Isolation bei meinen Mitmenschen wahr. Zurück in der Öffentlichkeit führen Sie dann mitunter schwer verständliche Selbstgespräche. Darum, besser – wann irgend möglich – raus in die Natur. Schließlich tut so ein Tapetenwechsel im Freien – umrahmt durch aufheiterndes Vogelgezwitscher der gepeinigten Seele gut (andere Tonlage als der Drücker am Klo). Das macht (nicht nur!) den Kopf frei und sorgt für eine positivere Grundstimmung.

Was mir nach wie vor ein Rätsel ist, ist die Tatsache, dass sich der Mensch doch immer gerne Freiräume verschaffen möchte und sich mehr Zeit für sich wünscht und vor allem auch Rückzugsorte. Jetzt haben wir zwangsweise so reichlich davon, dass wir uns erst recht eingesperrt fühlen. Wahrscheinlich sollten wir uns mehr auf die Möglichkeiten konzentrieren, die wir noch haben, als auf die Einschränkungen.

Und ich bin überzeugt, es gibt noch mehr davon als Rollenspiele, Hobbypsychologie zu betreiben und sich über seine Vorräte herzumachen.

In diesem Sinne freuen wir uns auf bessere Zeiten. Und diese kommen mit Sicherheit irgendwann.

Derweilen verROLLe ich mich dann mal wieder! Und OVER!

© Cornelia Steininger 2022-08-15