von Michael Schaake
Ich hoffe, die Story ist nicht indiskret, lange her: meine Gäste, Passagiere, unvergessen, ich mochte sie.
1973 flogen deutsche Männer mit dem Bumsbomber nach Bangkok. Ich hatte im Hotel einen netten jungen Gast, Rollstuhl, querschnittgelähmt, ich half ihm gern wo nötig, er war sehr selbständig. Er erzählte mir, er fliegt regelmäßig her, weil er zu Hause nicht an Sex kommt, in BKK immer die gleiche Freundin, eine Prostituierte. Wenn er da war, kümmerte sie sich ausschließlich um ihn. Habe sie kennengelernt, heute würde man sagen Sexworkerin, sie war ein guter Mensch.
1974 Misswahl an Bord unseres kleinen Kreuzfahrtschiffes. Ein Mann nahm teil, heute sagt man Transgender, geboren als Mann, männliche Stimme, Frauenname, kleidete sich als Frau, alles per Du, Holländerin. Sie war bei den Mitreisenden sehr beliebt, gewann die Wahl, erstaunlich, wenn man bedenkt 1974. Wir haben anscheinend seitdem nicht so viel dazugelernt (bitte nicht verwechseln, ich bin für Offenheit, kein Fan von Gender-Regeln im Sprachgebrauch).
1975 mein Stargast an Bord ein prominenter deutscher Schlagersänger, er hatte den eigenen Tontechniker dabei. Mit auf Tour eine andere bekannte Sängerin. Er bot ihr an, der macht für Deinen Auftritt die Technik, sie nahm dankend an. Der Techniker vermasselte ihr die ersten Lieder, absichtlich? Wir machten Pause, ich löste ihn durch den routinierten russischen Bordtechniker ab. Alles wieder ok, wir waren fortan keine Freunde mehr.
1977 Kreuzfahrt in Fernost, ein Passagier mein Nachbar in der teuersten Suite an Bord, sehr nett und etwas schüchtern. Er trug immer das gleiche karierte Hemd, auch beim Captain’s Dinner kein Jackett, keine Krawatte. Dann sah ich zufällig, wie das Zimmermädchen ihm die gewaschene Wäsche zurück ins Zimmer brachte, 10 Hemden, alle gleich.
1995 Iguazú, unter meinen Gästen eine vierköpfige Familie, der kleine spastisch gelähmte Sohn im Rollstuhl. Ich kümmerte mich, dass alles klappte, der Kleine fasste Vertrauen zu mir, ließ sich gern von mir schieben und kommunizierte mit mir auf seine Weise, konnte kaum sprechen, ich war gerührt. Mein Respekt vor den anderen Gästen der Gruppe, sie verhielten sich absolut solidarisch, auch wenn es mal etwas länger dauerte. Zum Abschied schenkte er mir ein kleines brasilianisches Fischerboot, hat inzwischen sechs Umzüge überstanden, steht in Sichtweite, siehe Foto.
2012 Amazonas, meine Gäste nur Paare, eine Single, Frau in meinem Alter, wir saßen also oft zusammen. Da hat sie was verwechselt, nach der Reise kontaktierte sie mich ständig. Ich geduldig bat sie schließlich, das zu lassen. Sie war dann noch zweimal mein Gast in Portugal und Frankreich, einfach freundschaftlich. Sie malte alles (keine Fotos) und schenkte mir eins ihrer Aquarelle, das steht auch in Sichtweite, direkt neben Chagall. Letztes Jahr leider gestorben, die Tochter informierte mich, Wunsch der Mutter.
Noch viel mehr unvergessene, aber zu viele für 2500 Buchstaben …
© Michael Schaake 2021-07-25