Glück im Turnsaal

Roberta

von Roberta

Story

Total verquollen und restalkoholisiert von der Party gestern bin ich unter zuckersüßem Drängen meiner Kleinen und vor allem an fehlender Widerstandskraft meinerseits leidend hier gelandet, als mütterlicher Fan auf der Zuschauertribüne bei ihrem Volleyballturnier in der Schulsporthalle.

Mein Gott, wie sie sich freut als sie mich sieht! Da kann ich gar nicht anders als zurückzustrahlen. Ich kann auch gar nicht so schnell wieder aufhören damit. Der Alkohol macht alles schwerfällig. Erst als ein fremdes Kind mich irritiert anschaut, sinken meine Mimikmuskeln wieder auf Normaltonus und ich setz meinen Hintern behutsam zurück auf die Holzlatten.

Es ist nicht einfach, bei dem schnellen Sport einen Überblick zu gewinnen. Ich hab ein Riesenglück: Die üppige Mutter neben mir schreit laut mit ihrem slawischen Akzent. Das liegt mir, das Laute und das Slawische auch. An der kann ich mich super anlehnen, anfeuerungstaktisch. Mit der kann ich mitschreien. Da muss ich gar nicht mehr denken und slawisch lern ich auch so nebenbei. Sie riecht nach den Zwetschkenpofesen von meiner Großmutter. Am liebsten würd ich mich gleich rein legen in ihren Schoß. Und wie ich da so hinschiel auf das Corpus cupendi – was einem alles für ein Scheiß einfällt. Geht das überhaupt vom Lateinischen her?

Jedenfalls seh ich unser Freundespaar dort sitzen beim benachbarten Bubenturnier. Aber da kann ich jetzt nicht rüberwinken. Die sind völlig versunken, mit ihren Händen wie zum Gebet, zwei Heiligenstatuen und auf dem Altar spielt ihr Sohn Volleyball. Ihr Blick voller Liebe. Da verschwimmt mir jetzt das Bild vor Rührung. Amen, amen, ich sage euch: ein Candle Light Dinner ist ein Schas im Vergleich zu so einem Kindervolleyballturnier: Gleißendes Flutlicht statt Kerzen. Dünnschissiger Filterkaffee statt Spargel mit Hollondaise

Apropos Spargel, da kommt ja mein Mann! Also eigentlich nicht“ apropos“, weil mein Mann hat einen athletischen Körperbau bitteschön. Er nähert sich meinem Gesicht in unvorsichtiger Geschwindigkeit. Da komm ich mit dem Fokussieren jetzt nicht so schnell nach. Seine Mund-Kinn-Partie verschwimmt zu einem Mischbild aus Thomas Sautner und Bon Jovi in jungen Jahren. Welch Wonne! Die meisten sehen ja doppelt, wenn sie so viel Vodka intus haben, doch ich seh zwei in einem. Soll mir recht sein, in dem Fall. Ich kann meinen Mann noch in letzter Sekunde davor bewahren, von mir zu Boden geknutscht zu werden. Seinem verdutzten Ausdruck nach dürfte die Begrüßung allerdings doch etwas stürmisch ausgefallen sein. Aber er hat starke Nerven.

Ich rutsch ganz nah an ihn dran. Kein Fuzerl Luft will ich haben zwischen uns. Ich tauch meine Nase in seinen Nacken. Das ist schön, das Raue von den Bartstoppeln und drunter das Weiche vom Hals. Wies da duftet! Das rührt mich, dass der da jetzt so an meiner Seite sitzt. Der Vodka drängt sich ein bisschen durch die Tränendrüsen. Irgendwo muss er ja raus. Und aller Logik zum Trotz könnt ich gerade jodeln vor Glück.

© Roberta 2020-02-17

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