Romantisch sollte es werden

neli

von neli

Story

Die literarische Sehnsucht, einen ebenso poetischen wie stimmungsvollen Text zu verfassen, ist übermächtig und als ich mich auf dem spiegelglatten See zum letzten Mal für diesen Sommer auf das SUP-Board schwinge, weiß ich: Diese eine, von leiser Wehmut gezeichnete Fahrt werde ich zu einem ergreifenden, herzbewegenden Abgesang auf den Sommer machen.

Mein Körper findet die Balance und es gibt nur mehr das leise Plätschern des Paddels. Rhythmisch taucht es in dieses einzigartige Seegrün, mein Blick geht zu den in unglaublichen Farbschattierungen changierenden Wiesen und Wäldern auf der Gegenseite. Mir bietet sich ein impressionistisches Meisterwerk dar,

… ich bin nämlich ohne meine Brille unterwegs. Die würde im Gegensatz zu mir im Fall eines unfreiwilligen Abstiegs nicht mehr auftauchen. Dieser kurze Austritt aus der prosaischen Welt ist notwendig, denn ich muss noch erklärend anbringen, dass ich oft genug zum Schrecken der Fischer geworden bin. Ahnungslos auf die friedlich dahindümpelnden Boote zufahrend, konnte ich durch die Brillenlosigkeit beim besten Willen nie erkennen, wo genau ihre schier unsichtbaren Silkfäden ins Wasser gingen. Und ja, nicht alle hatten unbedingt ihre helle Freude mit mir.

So, zurück zur emotional erhebenden, hehren letzten Fahrt.

Ich verliere mich in der Stille und Weite des Wassers und wünsche mir die Fähigkeit, diesen Augenblick für die unendlich lang scheinenden, trüben Wintertage zu bewahren. Die Ruhe, die Zuversicht und die Kraft des Moments hervorholen zu können, wenn ich mich verloren fühle in Verzagtheit, Kälte und viel zu früh einbrechender Dunkelheit.

Da naht von rechts ein Fischerboot. Alarm! Ich möchte es vorbeilassen und stoppe meine Fahrt. Alles sieht nach klassischem Querverkehr aus, bis der Bug abdreht und das Boot auf mich zufährt. Während ich überlege, welche Art von Verkehr wir nun denn haben werden, ist der Fischer beim Näherkommen besser ausmachbar für mich und ich sehe: Da sitzt einer mit aufgerissenen Augen und glotzt mich unverhohlen an. „Hallo! Wir sind hier nicht bei der Begnadete-Körper-Show!“ wütet es in mir, während ich das Paddel in das Wasser stoße und aus der angedachten meditativ – sinnlichen Nostalgiefahrt eine Trainingseinheit für die Armmuskulatur wird.

Die Breite zurück schwimme ich, das Board hinter mir herziehend.

Hinter mir höre ich das leise Schmatzen, wenn es auf das gekräuselte Wasser klatscht, und vor meinem Gesicht tanzen tausend glitzernde Sonnensterne. Ich fühle mich wunderbar getragen, während Atem und Schwimmzüge zu einer harmonischen Einheit werden. Der Weg lehrt Geduld und Gelassenheit. Meine Arme teilen das Wasser, immer und immer wieder. Beständig und zuverlässig. Der vertraute weiße Kirchturm gibt mir die Richtung. Auf ihn schwimme ich zu – bis ich Boden unter den Füßen spüre und angekommen bin.

Da, wo ich mich wohlfühle. Wo meine Freunde und Liebsten sind.

Na also. Geht ja doch!

© neli 2020-09-10

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