Rose I, Lailaps‘ Prolog

Ceyda Yazici

von Ceyda Yazici

Story

Der Regen formte schwere Perlen auf der Fensterscheibe. Klar war die Spur, die sie beim hinunter kullern hinterließ. Sie sammelte die kleinen Bruchteile, die andere zurückließen, ein und nahm sie in sich auf. Sie verformte sich, wuchs, mutierte fast, bis sie so träge wurde, dass nur noch der Sturz auf den Asphalt blieb.„Ähnlich wie bei Menschen“, führte ich plötzlich an. Dantes Augen waren nach wie vor der Welt draußen gewidmet. Auch wenn er ausschließlich mir zuhörte, sah er nur den Regen. Als vollständiges Bild bin ich niemals für ihn erreichbar, selbst wenn er mich ansah. Das Gleiche galt für mich: der Dante, den ich sehe, höre und fühle, ist nicht zu vergleichen mit dem Dante, den er selbst sah. Zum Ende meines Gedanken hin rührte er sich auf seinem Stuhl. Es war eine kleine Bewegung, um aufrichtiger zu sitzen, doch für mich sah es so befremdlich aus, als ob eine griechische Statue zu leben erwacht.

„Redest du von Menschen, die dafür leben, andere glücklich zu machen?“, ein Vorhang, der Schläfrigkeit vermittelt, glänzte über seine Lider. „Wer sagte noch gleich, der Mensch muss sich seines eigenen Verstandes bedienen?“. Ein halbes Augenrollen meinerseits brachte ihn zum amüsierten Schnaufen.„Ich selbst finde Kant in vielerlei Hinsicht anwendbarer, zumindest akademisch gesehen. Deine Annahme aber ist ein wenig interessanter für unsere Sonderfälle.“, ich griff nach meiner Tasse, nur um zu sehen, ob ich den Tee auch wirklich ausgetrunken hatte. Ein minimaler Rest hatte sich am Boden abgesetzt.

„Das klingt ja wie in der Schule!“, er fuhr sich mit einer Hand durchs Haar und grinste. „Ich glaube es war tatsächlich Descartes, den du meinst. Ich bin mir nicht sicher, ob ich mich richtig entsinne, meine aber er war es der meinte, dass die Menschen, die keine eigene Entscheidung fällen, entweder von ihren Wünschen geblendet sind oder es fehlt ihnen der nötige Intellekt“. Es war wirklich nur ein grober Wortlaut, der Sinn war ja immerhin in etwas da. Aber ich hoffte dennoch, dass sich in diesem kleinen Café nicht zufällig einer meiner ehemaligen Dozenten befand. „Interessanter für uns, das stimmt. Deswegen ist es ratsam, um den Menschen zu verstehen, über das schlichte Beobachten hinauszugehen. Aber sag mir, gilt das auch für städtische Gottheiten?“ . Mit einem Ruck leerte ich den Absatz des restlichen Tees in meinen Mund. Es war fast abstoßend kalt und bitter.

“Nun, du musst sehen, was die Menschen selbst sehen”, führte ich an, nur damit Dante mich mit einem Stirnrunzeln ab wimmelte. „Das klingt nach ‚habe Empathie‘. Ich muss das doch nicht wirklich machen, oder?”, er überkreuzte seine Beine und lehnte sein Kinn in die Hand. „Man könnte fast meinen, du hasst Leute”, ich nahm mir das Recht, ihn ein wenig anzustacheln. Er war sich seiner Sache so sicher, dass es mich beinahe herausforderte. „Ich mag niemanden, das heißt aber nicht, dass ich Leute hasse. Das Gegenteil von Liebe ist Gleichgültigkeit. Das trifft es eher” .

© Ceyda Yazici 2022-08-30

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