Ich lese bzw. „fresse“ gerade das Buch „Duft der Imperien“, Chanel No.5 und Rotes Moskau, über die Entstehung und Parallel-Entwicklung dieser beiden Weltmarken, deren Weg vom Autor Karl Schlögel auf einen eventuell gemeinsamen Ursprung hin akribisch zurück verfolgt wurde. Er zeigt, wie Mode, dazu gehören auch die Düfte, und Kunst ein neu heraufziehendes Zeitalter schon ahnen und designen, lange bevor unsere Otto-Normalverbraucher-Nasen, Augen, Ohren, Sinne das noch spüren.
Eine faszinierende Geschichte, die mir wieder Gelegenheit gibt, an kleine Episoden anzuknüpfen und dabei vom Hundertsten ins Tausendste abzuschweifen. Chanel No.5, mittlerweile als Oma-Parfum verunglimpft, war natürlich auch das, was ich mir zu Filmzeiten schenken ließ. Beziehungsweise EINmal von EINem, er hieß aber nicht von Einem, Verehrer schenken ließ.
Im Verlaufe des Buches streift die Geschichte auch kurz München. Und Olga Tschechowa. Die Schauspielerin, die auch Hitler ganz gut überstand. Verwandt mit ihrem Onkel, DEM Anton Tschechow. Ihr begegnete ich nicht persönlich, aber mein Arbeitskollege Herr Anton, der 4 Jahre lang mit mir an einem Schreibtisch saß. Ich hab ihn einmal beschrieben. Er trug gern „Blüschchen“. Aber er wies das entrüstet von sich. Däs isch doch’n Hämd, sähätse dänn däs nät, Frl. Moosarr!
Herrn Antons Hauptaufgabe war: Zeitungsausschnitte, die wir bei einer Zeitungsausschnitte-Sammlerfirma abonniert hatten, zu sammeln. Und nach Film geordnet einzuzukleben. Er war ungeheuer gebildet, was den deutschen Film und vor allem die UFA-Zeit betraf und kannte alle Stars. Absoluter Liebling war Kristina Söderbaum, aber schon den 2. Platz belegte Olga Tschechowa. Für sie durfte er auch „Dinge erledigen“. Und berichtete mir dann stolz darüber. Einmal flüsterte er mir, unter dem SIEGEL ABSOLUTER VERSCHWIEGENHEIT, über den Tisch verschwörerisch zu: Die Frau Tschächowa, wissätse, was die sälbar varwändet als Hautcräm? Olivänöl! Rei-näs Oli-vän-öl!!
Das durfte aber natürlich nicht an die Öffentlichkeit, denn Frau Tschechowa war damals DIE anerkannte Anti-Aging & Kosmetikexpertin in Deutschland & weit darüber hinaus. Mit einer eigenen, sehr erfolgreichen Produktlinie von Seife über Parfum bis zu Büchern scheffelte sie Mil-li-o-nän!
Ich habe mehr als vierzig Jahre darüber geschwiegen. Aber nun kann ich nicht mehr! Vielleicht erklärt auch das Tschechowsche Olivenöl-Geständnis meine lebenslange Skepsis gegenüber „hochwertiger Kosmetik“. Ich dufte seit Anbeginn meiner Zeit nach Nivea.
Das Chanel No.5 hab ich mir auch nur zur Zierde auf die Etagère gestellt. Ab und zu staube ich es ab. Aber es verleiht meinem Badezimmer ein gewisses internationales Flair. Die Marylin Monroe hat nicht so damit gespart. Sie hat es sogar als Pyjama getragen. Aber wir wissen ja, wie traurig das geendet hat.
Rotes Moskau, Красная Москва, war das sowjetische Chanel No.5. Mittlerweile riechen die dort aber auch alle gleich.
© 2020-04-23