von lee weichsel
Gehetzt suche ich in München nach einem Cafehaus, das meinen hohen wiener Ansprüchen entspricht. Zu laut, zu rustikal, zu viel Baustelle, zu sonnig, zu finster, zu komische Leute, zu wenig Leute, zu zu zu…
Auf der Terrasse des Museums „Haus der Kunst“ wurde ich fĂĽndig. Nachdem ich das Museum dort besucht hatte schmeckte der Cafe, nach Reiz-, Informations- und MeinungsĂĽberflutungen, noch dreimal so gut! In der Sonne sitzend und die mächtigen Säulen betrachtend, schreibe ich diese Zeilen…
Eigentlich war ich bis vor zwei Tagen hin- und hergerissen, zwischen himmelhochjauchzenden Verliebtheitsgefühlen für eine Sommerromanze mit ziemlich vorprogrammiertem Ende und aber gleichzeitig der Sorge, ob es denn die beste Idee war, ihn überhaupt zu besuchen, schließlich führte der Weg mit großer Wahrscheinlichkeit in eine Sackgasse bzw. überwindet keine Ländergrenzen.
Es ist ein Abenteuer, versuchte ich mich positiv zu stimmen.
Du wĂĽrdest es bereuen, brachte ich meine Sorgen zum Schweigen.
Der Bus war gebucht, der Koffer zum hundertsten Mal gepackt, die negativen Gedanken und Unsicherheiten in eine Ecke gesperrt – es kann also losgehen… dachte ich!
Denn zwei Tage bevor meine Reise starten sollte erreichte mich sein Anruf mit der Nachricht, dass der junge Mann mit einer anderen angebandelt hatte und nicht wusste, ob die beiden etwas ernstes anstreben wollen und naja, dass es nicht soo passend wäre, wenn ich – das Gspusi aus Wien – da jetzt aufkreuzen und bei ihm wohnen würde.
Sarkastisches Lachen meinerseits folgte.
Schließlich hatten wir wochenlang Kontakt gepflegt und auch wenn ich mit Fernbeziehungen keinerlei Erfahrungen habe denke ich, dass sich Liebe über die Ländergrenzen hinweg genau so anfühlen würde.
Nach seinem Satz, dass es ihm leidtun würde und er sich nach unserem Telefonat im nahegelegenen Fluss ertränken werde, dachte ich: ich will mit, nimm mich mit in die schlammige See; dann kann ich zumindest bei dir sein!, antwortete aber:“ Ja, vielleicht ist das nicht einmal die schlechteste Idee!!“
Aber auch dramatische Traurigkeit und (und das gestehe ich uns und mir selbst nun ausnahmsweise ein) tiefe Erleichterung fĂĽhlte ich.
Erleichterung darüber, dass mir die tränenreiche Herzschmerzheimfahrt erspart bleiben würde und ich mich nicht mehr mit der Sorge, ob ich denn hübsche Unterwäsche, rasierte Beine und meine besten Manieren ständig an den Tag bringen werden kann, beschäftigen muss.
In meinem Kopf blinkten die Worte „Route wird neu berechnet“ auf. Ganz gegen meine kontrolleti Natur buchte ich den Bus um, reservierte mir eine andere Unterkunft – alles ohne die Rückreise zu planen. Ich praktizierte Cityhoping und besuchte Museen und Ausstellungen in einem Ausmaß, dass andere Leute ins künstlerische Koma fallen würden. Ich genoss meine zuerst erzwungene Vogelfreiheit, bis ich merkte, wie viel besser meine Reise und mein Urlaub, ohne den sich ertränkenden Kauz dieser Geschichte, waren.
Lee Weichsel
© lee weichsel 2021-09-14