RUMI und das Gedicht der Erkenntnis

Solandra

von Solandra

Story

Im Netz fand ich einen interessanten Beitrag zum Thema Dankbarkeit. Es ging um diese ganz besondere Schwingung, in der wir uns befinden, wenn wir dankbar sind. Für einen wunderschönen Tag am Meer, für eine trotz Zweifeln bestandene Prüfung, um exemplarisch nur zwei Anlässe zu nennen. Wir befinden uns im bewussten Flow mit dem Hier und Jetzt. Dieses Gefühl des Einklangs ist etwas Wunderbares. Es herrscht Frieden. Unser Kopfkino ist auf mute geschaltet. Man kann dieses Gefühl der Dankbarkeit ausweiten, von einem singulären Ereignis hin auf das Leben an sich. Indem wir unser Leben als Geschenk verstehen und uns jeden Tag neu an ihm erfreuen.

Trotzdem hatte ich persönlich stets ein kleines Problem mit diesem Konzept, denn es braucht ein Gegenüber, auf das ich meine Dankbarkeit fokussiere. Sei es physisch oder spirituell. Ich neige zu einem unabhängigen Denken, Handeln und Sein. Auch wenn sich dieser Ansatz ab einem bestimmten Punkt als pure Illusion erweisen sollte, so habe ich ihn dennoch weiter verfolgt. Gibt es eine Alternative zur Dankbarkeit? Eine Einstellung, die sich für mich besser anfühlt?

Mir kam der Begriff der Wertschätzung in den Sinn. Und ja, die Resonanz war angenehmer, stimmiger. Wertschätzung entsprach deutlich mehr dem, was ich empfinde. Im Angesicht des Lebens und all seiner Möglichkeiten. Während Dankbarkeit für mich etwas mit Abhängigkeit zu tun hat, bewegt sich Wertschätzung deutlich mehr auf Augenhöhe.

Ich ahne sehr wohl, dass sich alle intellektuellen Konzepte ab einer bestimmten Bewusstseinsebene in Schall und Rauch auflösen werden, aber ich blieb auf der Suche nach dem einen, das der Resonanz meines Herzens entspricht. Und die Wertschätzung stand für mich eine lange Zeit auf Platz Eins.

Und dann begegnete mir ein Gedicht von Rumi. Seine Zitate hatten mich schon immer fasziniert, in ihrer Ruhe und Weisheit. Sie sprechen eine Ebene jenseits unseres Verstandes an. Jene, in der wir mit der Intuition unseres Herzens verbunden sind.

Das kleine Gedicht lautet (in englisch):

„By day I praised you and never knew it

By night I stayed with you and never knew it

I always thought I was me – but no – I was you and never knew it.“

Auch heute, wie jedesmal, während ich das Gedicht in die Tastatur schreibe oder für mich selbst aufsage, berühren mich diese Worte und die dahinter stehende Erkenntnis zutiefst. Die wunderbare Erkenntnis einerseits und die damit verbundene Wahrheit andererseits. Sie ist so unglaublich. Sie hat zu tun mit Ehrfurcht, aber auch mit einer schier grenzenlosen Weite und Kraft, die in uns emporsteigt. Jenseits einer subjektiv empfundenen Opferrolle, falsch verstandener Bescheidenheit oder des Glaubens an eigene Unzulänglichkeiten und eines Nicht-gut-genug-Seins.

Gott ist in uns. Wir können ihn in uns finden und uns mit ihm vereinen. Mit seinen Werten und mit seinem Wissen. Welch ein wunderbarer Weg.

“I always thought, I was me – but no – I was you and never knew it.”

Now we know. Finally ;-)

© Solandra 2021-01-28

Hashtags