von Monika Bayerl
Ein Märchen? Nein! Silvesternacht 2014. Wir waren kulinarisch prächtig auf einen gemütlichen Abend bei Freunden vorbereitet. Die weiße Winterlandschaft rund um den Untersberg zauberte einen Glitzerteppich in die Nacht. Vor dem Carport hatten unsere Gastgeber eine sehenswerte Schneebar errichtet. Bunte Glühbirnen und Partymusik vom MP3 Player sorgten für Stimmung. Warm eingepackt standen wir zusammen, prosteten uns zu und sammelten Wünsche für das neue Jahr. Das Knallen der Feuerwerkskörper steigerte sich und hallte von den Hauswänden wider.
Rrrrums. Das Handy vibrierte: Einsatzmeldung der Feuerwehr – Alarmstufe 3 – Großbrand in Seeham. Was war passiert? Am Webersberg wollte man auch Silvester feiern und hatte den Ofen des Brechelbades eingeheizt. Die warme Hütte, die eigentlich ein Flachsmuseum beherbergt, eignet sich auch für kleinere Veranstaltungen.
Plötzlich hatte sich der Ofen überhitzt, der über 200 Jahre alte Stadel ging in Flammen auf. Die Freiwilligen Feuerwehren der Gemeinden Berndorf, Mattsee, Obertrum, Seeham und Seekirchen konnten ihn nicht mehr retten. Die Löscharbeiten waren schwierig, weil das Wasser über lange Leitungen gepumpt werden musste. Am Ende blieb ein Haufen dampfender Asche übrig.
Verletzt wurde zwar niemand, aber der Schock saß tief. Wie traurig waren wir, als wir davon hörten. Mein Gott, das schöne alte Museum! Ich wusste lange nichts von Brechelbädern und ihrer Funktion. Es hat sie in der Region auf vielen Bauernhöfen gegeben, weil weitum Flachs angebaut worden war, um daraus wertvolles Leinen zu gewinnen. Mit „brecheln“ meint man das Aufbrechen der Fasern der getrockneten Flachspflanze, was ich selbst schon einmal ausprobieren durfte. Dahinter steckt intensive Handarbeit! Nach getaner Arbeit konnten sich die Menschen den trockenen Staub im warmen Dampf des Bades abwaschen.
Mir gefallen die blassblauen Blüten der Flachspflanze ausgesprochen gut. Sie sind aber selten geworden, denn leider verlor handgefertigtes Leinen in den 1950er Jahren seinen Wert und die alten Brechelbäder verfielen. Außer jenes der Familie Steiner in Seeham, die es 1999 revitalisierte. Nun war’s AUS und VORBEI. Wie schade!
Doch – die Seehamer*innen halfen zusammen: Das Brechelbad wurde originalgetreu mit Holz eines Abbruchstadels aus dem 18. Jhd. wiederaufgebaut. In neuem Kleid steht es seit 2017 am Webersberg und schaut würdevoll über das Land.
Das letzte Mal war ich zur Langen Nacht der Museen dort. Schauspieler Maximilian Pfnür und die Haunsbergmusi ließen das alte Handwerk mit überlieferten Geschichten und Liedern wieder lebendig werden. Auch das Rumpelstilzchen kam darin vor. Ob es mit seinem wütenden Tanz ums Feuer den Brand gestiftet hatte? Wer weiß das schon.
Draußen vor der Tür, im Schein der Laterne, sah ich das Rumpelstilzchen tanzen. Ich traue ihm zu, dass es sogar Flachs zu Gold gesponnen hat.
© Monika Bayerl 2020-03-24