Safari in Berlin

Sonja Runtsch-Dworzak

von Sonja Runtsch-Dworzak

Story
Brandenburg 2023

Simba lebt in Ostafrika. Ihr Leben verläuft so, wie es in ihren Kreisen üblich ist. Sie ist zwei Jahre alt und möchte wie alle Jugendlichen, etwas Aufregendes erleben. Immer nur herumstreifen, die holde Männlichkeit bedienen und mit Nahrung versorgen, das kann es wohl auch nicht gewesen sein. Eines Tages beschloss sie, dass sie Tapetenwechsel brauche. Während der unerträglich heißen Tage, in denen sie verzweifelt auf der Suche nach Wasser war, kam ihr ein Gedanke: Was wäre, wenn ich den Sprung auf einen Kontinent im Norden Europas wage. Dort regnet es viel, dort wachsen Bäume, dicht an dicht. Für mich wird es doch wohl auch einen Platz geben, wo ich ein neues Leben beginnen kann. Eines Nachts, als der dunkle Himmel von Sternen übersät war und kühlere Temperaturen eine Wanderung zuließen, verließ sie ihr Zuhause. Unbemerkt schlich sie sich davon und wanderte hunderte Kilometer, bis sie zu einem Platz kam, wo sie sich ausruhen konnte. Sie suchte sich ein Versteck, um ein wenig zu schlafen. Plötzlich hörte sie Geräusche. Sie hob langsam ein Lid ihres rechten Auges, dann öffnete sie beide Augen. Vor ihr waren Männer im Begriff, große, leere Kisten in ein Auto zu verstauen. Ganz leise erhob sie sich. Das war ihre Chance: In geduckter Haltung schlich sie sich vorsichtig heran. Sie hatte Glück. Es war noch Platz für sie. Mit einem Satz sprang sie hinein und kauerte sich hinter eine Truhe, die mit einer Plane abgedeckt war. Auf einmal ein Knall, die Kiste wurde verschlossen. Kurz spürte Simba, wie sie mitsamt der Kiste emporgehoben wurde.

Stunden waren vergangen, als die Kiste entladen wurde. Männer schrien sich Worte zu, dann wurde die Kiste mit Simba unsanft am Boden abgestellt. Sima erschrak. Was war los? Wieder gab es einen Ruck und sie spürte, dass sich die Kiste, in der sie verborgen war, in Bewegung setzte. Sie wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, aber sie spürte, dass sie Hunger hatte. Endlich stoppte die Fahrt, die Kiste wurde wieder entladen. Mit einem Krachen öffnete sich der Deckel. Simba hielt den Atem an. In einem unbemerkten Moment sah sie sich um und sprang heraus. Verwirrt blickte sie sich um. Das Licht und die Luft waren anders, rauher, kalter Wind streifte ihre Nase. Bevor die Männer zurückkamen, machte sie sich aus dem Staub. Plötzlich hörte sie um sich herum Stimmen, die panisch schrien: eine Löwin, schaut eine Löwin. Eine Frau zückte ihr Telefon und rief die Polizei an. Wenige Minuten später Alarm: bleiben Sie zu Hause, nehmen Sie ihre Hunde ins Haus, eine Löwin ist unterwegs! Alle taten, wie es ihnen aufgetragen worden war, sie gingen nicht zur Arbeit und verschanzten sich in ihren vier Wänden. Tage vergingen, Polizeikohorten durchstreiften das Gebiet. Nichts. Nervosität machte sich breit. Doch dann streifte des Morgens ein Wildschwein durch den Wald, auf der Suche nach Fressbarem. Es kam an einer Pfütze an. Und was sah es in seinem Spiegelbild: eine LÖWIN. Nun fiel das arme Schwein in eine Identitätskrise. Wer bin ich? Ihm blickte das braun-rote Fell und runde Ohren in die Augen. Bin ich ein Löwe? Oder bin ich doch ein Wildschwein?

Simba döste in der Sonne Ostafrikas. Sie hatte geträumt von Berlin, von den Linden und von Brandenburg, in dessen Wäldern Wildschweine herumstreifen. Aber ganz ehrlich: wäre das nichts für Obelix?

© Sonja Runtsch-Dworzak 2023-07-25

Genres
Humor& Satire
Stimmung
Abenteuerlich, Adventurous
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