Saint Martin d’Ardeche -Bagnols-sur-Ceze

Martin Dexheimer

von Martin Dexheimer

Story
Via Rhodana 2023

Hinter der Brücke beginnt eine neue Region, die Auvergne Rhone Alpes endet hier und Occitanie beginnt.

Mein heutiger Gastgeber Jeannick ist ein 72jähriger Witwer. Er hat vor sechs Jahren seine Frau verloren. Nach seinen Worten fiel sie bei einer gemeinsamen Wanderung einfach um und war tot. Der alte Franzose ist nett und auch etwas skurril. Mein Zimmer ist top. Küche und Bad sehen etwas weniger gepflegt aus, aber nicht unbedingt unsauber. Der Abend wird lustig, er spricht viel französisch, obwohl er weiß, dass ich ihn nicht verstehe. Am Ende des Abends bin ich satt und froh.

Saint-Julien-de-Peyrolas – Bagnols-sur-Ceze

Die Nacht in Jeannicks Haus ist ruhig. Pünktlich zu 7 Uhr deckt er den Frühstückstisch. Ich glaube, er ist extra noch mal zur Boulongerie gefahren und hat frisches Brot geholt.

Er ist ein wirklich netter Kauz. Ich spüre die Traurigkeit, die seit sechs Jahren in diesem Haus wohnt. Überall hängen Bilder von seiner Frau. Er erzählt von den gemeinsamen Reisen. Länder und Orte nennt er schnell hintereinander. Und doch spüre ich einen Hauch der Geschichten von den Reisen. Jeannick bringt mich noch hinunter in den Ort. Er drückt mir etwas verlegen eine Sardinenbüchse in die Hand.

Ich breche auf, die ersten Kilometer gehören der Straße. Und die Straße steigt in die Höhe. Ich weiß, heute wird es von 50 auf 350 Meter hochgehen. Der Regen der Nacht dampft warm und beständig über die Straße. So früh bin ich bisher noch nicht am Schwitzen gewesen. Stille liegt über der hügligen Landschaft. Nur ab und zu krächzt mich ein Vogel an. Heute sind die Zikaden verstummt. Gestern noch war es mitunter ohrenbetäubend laut in ihrer Nähe.

Mein erstes Tagesziel ist die Chartreuse de Valbonne, ein ehemaliges Kartäuserkloster. Von 1203 bis 1901 lebten Mönche hinter diesen Mauern. Sie hatten den 100jährigen Krieg, die Religionskriege und die Revolution überstanden.

Dann gab es wohl ein Gesetz zu den Ordensgesellschaften und die Mönche wurden ausgewiesen. 1926 wurde die Klause von einem protestantischen Pfarrer ersteigert. Er machte daraus eine Einrichtung für die Aufnahme von Tropenkranken. Heute ist die Chatreuse eine touristische Hotelanlage. Ich erreiche sie vor der Öffnungszeit. Auf dem Hof lässt es sich gut sitzen, ich nutze die Toilette und den Wasserhahn.

Mein Weg führt mich weiter, wieder in die Höhe. Ich stolpere ergeben den Berg hinauf. Mal sind es Pfade, dann breitere Wege und auch kleine Straßen gehören dazu. Oft ist es angenehm schattig. Ich fühle mich wohl und genieße jeden Schritt. Ab 10 Uhr sind auch wieder die Zikaden da. Nun weiß ich, die Zikaden schlafen länger. Auch irgendein recht großes Brumbrum kommt ab und zu in meinen Umkreis. Das Ding fliegt drei bis vier Runden um mich herum. Dann merkt es wohl, dass ich keine Blume bin und fliegt davon.

Mitten im Wald gibt es ein paar Häuser, die sich Les Celettes nennen. Ein paar Bauarbeiter erlauben mir ihren Wasserhahn zu nutzen.

© Martin Dexheimer 2024-02-29

Genres
Romane & Erzählungen, Reise
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