von kris-traveller
Es ist Sonntag um die Mittagszeit, die Wintersonne strahlt vom blauen Himmel und die Vögel zwitschern. Ich stehe neben dem großen Lehmpalast Fort Masmak im Zentrum der saudischen Hauptstadt Riad. Trotzdem läuft mir ein Schauer über den Rücken. Mein Turnschuh steht auf einem Kanaldeckel in der Mitte des großen Platzes. Es ist ein ganz besonderes Abflussgitter. Nicht für das Regenwasser – das gibt es hier im Wüstenstaat sehr selten. Nein, hier werden am Freitag die zum Tode verurteilten Verbrecher hingerichtet, genauer gesagt mit einem Schwert geköpft. Und das Blut wird über dieses Kanalgitter entsorgt. Das alles geschieht innerhalb von wenigen Minuten. Zuschauer sind erlaubt, aber es darf nicht gefilmt oder fotografiert werden.
Heute ist alles friedlich hier, ein paar Kinder laufen über den “Chop-Chop”-Platz. Männer in traditioneller Bekleidung treffen sich zum Gespräch, Frauen in bodenlangen schwarzen Abayas und mit Niqab-Gesichtsschleier begrüßen mich freundlich. Welcome to Saudi Arabia!
Schon bei der Einreise am Flughafen in Dammam hatte ich ähnliche Gefühle. Werde ich das Touristen-Visum problemlos erhalten? Welche Fragen werden mir als westlichem Ausländer gestellt? Es gibt so viele Regeln, die man nicht brechen darf. Kein Kreuz-Anhänger um den Hals, keine Wurstsemmel und keine Zeitschriften mit leicht bekleideten Menschen im Gepäck. Keine Dating-Apps am Handy. Schon der kleinste Verstoß soll rigoros bestraft werden. Und dann ging alles ganz freundlich und schnell. Stempel in den Pass und “Welcome to Saudi”.
In den letzten 2 Jahren hat sich ungemein viel verändert. Überall merkt man die Aufbruchstimmung. Vollverschleierte Frauen fahren durch die Stadt und winken mir zu. “Welcome, Welcome”. Erst seit kurzem dürfen Frauen ohne männliche Begleitung das Haus verlassen, einer Arbeit nachgehen und Auto fahren.
Bei der Tourist Info stehen 5 Frauen, ich sehe nur ihre rehbraunen Augen durch den schmalen Sehschlitz. Nur eine von ihnen spricht etwas Englisch, aber geduldig bestellt sie für mich ein günstiges Uber-Taxi. Mein Handy mit europäischer Sim-Karte funktioniert hier im Land nicht.
Neben der Hauptstadt Riad mit einigen grandiosen Wolkenkratzern und der Hafenstadt Jeddah mit der “Schwimmenden Moschee” reise ich mit 3 Bekannten auch in die verbotene Stadt Medina. Hier sind Nicht-Muslime nicht erlaubt. Wir fahren mit einem Taxi bis zur Prophetenmoschee, einem Höhepunkt der Reise. Alle grüßen uns freundlich und sind sehr hilfsbereit. Man hält uns für Gläubige, zeigt uns die prachtvolle Moschee und führt uns zum Grab Mohammeds. Steht für Ungläubige darauf noch die Todesstrafe? Wir wissen es nicht.
Am meisten beeindruckt mich jedoch die Wüste mit den unglaublichen Felsformationen und den alten Nabatäergräbern. Wie die Felsenstadt Petra, nur ohne Touristen.
Die Reise ist eine unglaubliche Erfahrung, ich schwanke zwischen Angst und Euphorie. Shukran – Danke, dass ihr mich empfangen habt.
© kris-traveller 2023-02-26