von MarieZa
Die Schuhe hängen über den Lenker des Fahrrads. Schwarz, hohe Absätze, eine Menge Riemchen.Kleine Größe. Vielleicht 36. Hübsch. Angebunden mit einer roten Schleife. Das Fahrrad ein typisches Kuba Fahrrad. Alt, mehrfarbig ausgebessert, rostig und geflickt. Angelehnt an einer Hausmauer. Das Haus knallblau, schon ziemlich in die Jahre gekommen, wie so viele Gebäude in Havanna. Aus dem Innenhof kommt Musik. Dos Gardenias para ti, singt Ibrahim Ferrer.Wem diese Sandaletten wohl gehören? Un beso, tönt es aus dem Patio. Ich gehe näher zum Hauseingang. Vielleicht kann ich in den Innenhof sehen. Eine riesige Palme, ein roter Hibiskus und ein grauweißer Fliesenboden mit Sternenmuster kommen zum Vorschein. Kolonialstil. Und dann eine dunkle Frauenstimme.
– Mi amor, que quieres?
Was ich möchte? Soll ich fragen, was die Sandaletten auf dem Fahrrad zu bedeuten haben? Nein.
– Ich habe Musik gehört aus dem Patio, sag ich in meinem dürftigen Spanisch.
Sie kommt näher. Eine große Schwarze mit dem Kopf voller Lockenwickler. Mit ihrer Hand ladet sie mich ein.
– Cafesito?
Ja, ein Kaffeechen, mag ich immer. Im Patio ist es angenehm kühl. Te quiero, singt Ferrer.
– Te gusta, la musica cubana?
– Claro, und wie mir die kubanische Musik gefällt! Deswegen bin ich doch auf Kuba. Ob ihr die Sandaletten gehören? Ich traue mich noch immer nicht zu fragen. Wir sitzen an einem Tischchen im Patio und trinken Kaffee aus Porzellantassen mit goldenen Henkeln. Elena heißt sie und will wissen, woher ich komme und ob mir Havanna gefällt.Und natürlich, ob ich Salsa tanze. Dazu bin ich hierhergekommen. Musik hören und Salsa tanzen. Sie würgt den Ferrer ab, legt eine neue CD ein und fordert mich zum Tanz auf. Sie ist barfuß. Ich lege meine Sandalen ab. Und dann geht es rund! Ich beherrsche ja gerade nur die Grundschritte. Sie aber führt mich gekonnt in jede Drehung. Unsere Arme verwickeln sich über unseren Köpfen. Ihre Lockenwickler fliegen. Wie durch ein Wunder entwickeln sich unsere Arme wieder, wir öffnen uns zur einen Seite, dann wieder zu der anderen. Mir wird schwindlig. Schweiß rinnt mir über den Nacken. Drehung zur anderen Seite und neue Verwicklungen. Ein Feuerwerk. Ich brenne. Scheinbar mühelos tanzt sie komplizierte Figuren mit mir. Endlich ist der Song zu Ende. Ich falle erschöpft auf meinen Stuhl. Sie lacht. Soll ich jetzt fragen?
– Heute Abend gehen wir in die Casa de la Musica, sagt sie. Und ob ich mitkomme?
– Ich wüsste gerne … Nein, der falscheMoment. Die Sandaletten müssen ihr gehören. Zu einem roten Kleid würde sie sie tragen. Hauteng und mit tiefem Rückendekolleté. Etwas glockig der Rock für viel Beinfreiheit.
Sie sammelt die zu Boden gefallenen Lockenwickler ein.
Als wir uns am Abend in der Casa de la Musica treffen, geht mein erster Blick auf ihre Beine. Sorpresa! Sie trägt flache rote Flip Flops.
– Und was ist mit deinen Sandaletten am Fahrrad los, frage ich sie erstaunt.
– Ich habe kein Fahrrad, antwortet sie.
© MarieZa 2021-06-18