SALZBURG, EINE STADT?

PETER MANDL

von PETER MANDL

Story

Wie schön wäre Wien ohne Wiener… (Georg Kreisler). Salzburgern würden derart selbstironische Töne kaum aus der Feder ins Notenblatt fließen. 1971 wurde ich von der Donau, vom Heustadelwasser, an die Salzach zwangsemigriert. Dort herrschten bieraggressiv- krachledern- gamsbärtige Lodenmäntel (heute leider nur mehr rudimentär in Gestalt wildschweinhetzender adeliger Landesjägermeister auftretend). Generaldirektor wie Rossknödelmanipulant diente das schwarze Parteibuch als Befähigungsnachweis.

Auf dem Lehener Fußballplatz wurden die Praterveilchen mit zivilisiertem “oans, zwoa, drei, Weana Säu, sieme, ochte, neine, Weana Schweine“ freundlich begrüßt und wenn man beim Eishockey HCS gegen WEV bei einem schwarz- gelben Tor versehentlich freudig die Arme regte, hatte man einen eisigen Schneeball im Gesicht.

Was gehört aber heute zu einer Stadt? Dass Kaffeehäuser um 22 Uhr zusperren? Als ordentliche Stadt hat man zum Beispiel ständige Märkte, wie das vergleichbare Graz, und nicht nur eine einzige teure Donnerstags- “Schranne” oder einen winzigen “Grünmarkt”. Vor allem aber: eine Stadt braucht zumindest eine Einkaufsstraße, wo die Bewohner Schrauben, Klobesen, Malerpinsel kaufen oder auch nur flanieren können. In der Touristenfalle Getreidegasse gab es früher Eisenhandlungen, eigenhändig knetende Bäcker, Sportgeschäfte. Heute: Ramsch & Gucci.

Gegenbeispiele: Innsbruck: Maria- Theresienstraße, Linz: Landstraße, Graz: Herrengasse, Hauptplatz, Sporgasse und überhaupt alle umliegenden Altstadt- Gasserln (dort findet man übrigens auch die urigsten Wirtshäuser und Beiseln samt Einheimischen. Gamlitzer oder Peter Weinstube statt Goldener Hirsch! Backhendl statt Kaviar!)

Nun aber zur Schürzung des Knotens, zum Kern der Sache, dem Moment, wo der Aff‘ ins Wasser springt: Strassenverkehr! Salzburg leistet sich einen Fahrschulbesitzer als Bürgermeister, drum darf man mit dem privaten Blechkübel fast überall hinstauen. Löchrige Mini- Fuzo als Feigenblatt. Umgekehrt proportional dazu wird der öffentliche Verkehr ausgehungert. Während in Graz, Linz oder Innsbruck laufend Straßenbahn und Bus ausgebaut werden, hat man an der Salzach schon vor langer Zeit die zwei einzigen Tramwaylinien eingestellt und seit Herbst 2022 das eh schon sehr dünne Obusnetz mit seinen holpernden polnischen Billigbussen durch Umstellung auf 15(!)- Minutentakt ganz kaputtgemacht. Wenn ich von meiner Wohnung im südlichen Aigen in den 1,2 km entfernten Stadtteil Josefiau am anderen Flussufer will, brauche ich (80Jahre) zu Fuß 20, mit dem Obus 45 Minuten.

Resümee: was Wunder, wenn die gelangweilte Jugend in den Lokalen am Rudolfskai oder im Vorort Wals gelegentlich raufen und messerstechen muß. Im berühmten Wiener Bermuda- Dreieck, angesichts von U-Bahn, Zweiminutenintervallen und Nachtbussen, ist das offenbar nicht so modern.

Warum ich immer noch hier bin? Alter Baum und Adele! (andere Story).

© PETER MANDL 2023-01-19