von gabrieleschreibt
Eine Fahrradklingel ist zu hören und schon erscheinen weitere Nachbarn um die Ecke. Allen voran Herta. Dann ein Anhänger voller Festzubehör – Gläser, Bier, Sitzpolster, Tischtennisschläger, Straßenkreiden. Und nach und nach füllt sich die Straße. Mit Tischen und Bänken. Mit Essen und Trinken. Mit Menschen. Mit Menschen, die hier wohnen. Und dem ein oder anderen, der im Vorbeifahren auf ein Bier und zum Verweilen eingeladen wird. Weil es schön ist im Hood. Irgendwann zündet irgendwer das Feuer an. Korrekterweise muss man sagen: irgendwann zündet Simone das Feuer an, sie ist die „Fire Starterin“ vom Hood und liebt es, das Feuer und das Fest den ganzen Abend am Leben zu halten.
Die Kinder bemalen die Straße, veranstalten Fahrradrennen, spazieren freiwillig rund ums Grätzl, oder Stöckli – wie man in diesem Hood zu sagen pflegt – verwenden Biertische als Rampen für ihre Scooter, wenn die Erwachsenen schon ein Bier über die „das dürft ihr doch nicht“ Grenze getrunken haben. Sie erobern die Straße und lieben und leben es. Ins Bett geht keiner freiwillig als erster. Das ist die Härteprobe. Mal sind alle Kinder verschwunden, keiner macht sich Sorgen. Dann sind alle wieder da – weil der Hunger nagt – und schon sind sie wieder weg. Irgendwo in der Nachbarschaft. Oder im Nussbaum.
„Toni?“ Mehr muss nicht gesagt werden, wenn man den richtigen Zeitpunkt erwischt. Toni steht auf und geht. Dann kommt er wieder. Mit einer Liedermappe, einer Gitarre, einem kleinen Licht, damit er auch in der Dämmerung die Noten noch lesen kann. Toni kann singen und er hält es aus, wenn alle anderen mitsingen. Vom Wegfliegen mit Jet Planes, von gestern oder Yesterday und vom Kappilifäold – ein Lied, das er für die Nachbarschaft geschrieben hat. Alle singen gemeinsam, bis die Stimmen oder Tonis Finger aufgeben.
Der letzte Freitag bevor die Sommerferien vorbei sind und die Schule wieder beginnt, der gehört der Straße. Dem Hood. Es wird gefeiert. Das Leben. Die Nachbarschaft. Das Miteinander. Das sich-wieder-einmal-sehen. Das sich-zum-ersten-Mal-begegnen. Das miteinander-singen-egal-wie-gut. Das nicht-ins-Bett-gehen-müssen. Vor vielen Jahren saßen ein paar Nachbarn in Simones Garten und träumten von einem Straßenfest. Dann machten sie eins. Inzwischen ist es wie bei „Dinner for One“.Irgendwann vor den Sommerferien fragt jemand: „Same procedure as last year?“ Jemand antwortet: „Same procedure as every year.“ Und alle wissen, was zu tun ist.
© gabrieleschreibt 2023-01-08