von Herbert Schieber
Das Telefon meiner Frau läutet. Es ist unsere Tochter. „Kann ich Emma für drei Stunden bei euch lassen?“ Zehn Minuten nach dem „Ja“ geht die Eingangstüre auf und Emma stürmt herein.
Dazu muss man erklären. Emma ist unser erstes Enkerl und unheimlich liebenswert. Sie hat struppiges blondes Haar. Ist enorm agil. Bringt Schwung in jedes Heim. Ist unheimlich aufmerksam und neugierig. Sie hat ein stehendes und ein hängendes Ohr und eine stehende Rute. Emma ist für uns fast wie ein Mensch, ist jedoch eine vierbeinige Mischung aus Border-Terrier, Feldhase, Erdmännchen und Kotbürste. Meist liegt sie sanft im Hundekörbchen. Doch es gibt Situationen wo sie sich einfach nicht im Griff hat. Eine davon möchte ich nachstehend, vielleicht etwas überzeichnet, erläutern…
Unsere Haustürglocke läutet!
Viele Hunde würden dies mit einem „wau, wau“ melden. Nicht so Emma!
Versuchen sie sich folgendes akustisch vorzustellen: quietschende, blockierende Autoreifen vor einem Unfall, die heulenden Sirenen mehrerer Einsatzfahrzeuge und den grellen Hilfeschrei einer Prostituierten aus Jack the Ripper. Mischen sie nun diese Geräusche. Stakkatoartig stößt Emma diesen Geräuschmix im Sekundentakt und in der Lautstärke eines startenden Kampfjets hervor!
Auch ihr Körper nimmt die Form eines zerstörerischen Kampfjets an. Sie schießt schlagartig mit geballter Energie aus dem Körbchen Richtung Eingangstüre. Der Rückstoß schießt das Körbchen durch das ganze Vorhaus, wo es in der gegenüberliegenden Wand stecken bleibt. Emmas Krallen haken sich in die Bodenfliesen und lockern diese.
„Emma aus!“ „Aus Emma!“ „Emma!“ „Aus!!!“ – kein Erfolg – Emma lässt sich nicht bremsen. Selbst das vehemente Zerren am Halsband, das das zarte Hälschen umschlingt bringt keinen Erfolg. In Panik schmeiße ich mich auf dieses sonst so liebenswerte Hündchen. „Aus Emma!“ Sie wehrt sich, kriecht unter mir hervor um unvermindert weiter unser Trommelfell mit gesundheits-gefährdenden Schallwellen zu belasten.
Mit den Gedanken bei der vor der Haustür stehenden Person dauert dieser Vorgang gefühlt zehn Minuten. In Wahrheit ist es aber nur eine halbe Minute. Plötzlich aber ist Emma wieder still, legt sich in ihr Körbchen und tut, als wäre nichts geschehen.
Ich gehe zur Eingangstür. Der Besuch ist weg!
Ein paar Tage danach ist folgendes in einer Regionalzeitung zu lesen….
In einem niederösterreichischen Ort wurden zwei sich im schweren Schockzustand befindliche, umherirrende „Zeugen Jehovas“ aufgegriffen. Sie wurden mit dem Notarzthubschrauber Christophorus 11 in das nächstgelegene Spital geflogen. Ihre einzigen verständlichen Wortbrocken waren: „Satan lebt! Wir wissen wo er wohnt!“
Den letzten Informationen zu Folge befinden sich beide Patienten am Weg der Besserung. Zum Glück wurde auch diesen Aussagen der Zeugen Jehovas kein Glauben geschenkt.
Etwas überzeichnet, aber so ist Emma. Man muss sie einfach lieben!
© Herbert Schieber 2019-09-23