von Lorenz Graf
Als Gymnasiast hatte ich das Glück das Schachspiel zu lernen und Freude daran zu finden. Wir spielten neben dem Unterricht auch Theater, meist unter der Regie unseres Schuldirektors und wir führten die Stücke auch in mehreren Orten der Umgebung auf. In den Pausen vor meinen Auftritten, ich hatte mit wenig Ausnahmen nur kleinere Nebenrollen, brachte mir der Direktor das Schachspielen bei. Dadurch sollte das Lampenfieber entschärft werden. Ich wurde kein Schachmeister, aber immer noch fasziniert mich dieses Spiel und ich habe es auch meinen Kindern und Enkelkindern beibringen können und wir spielen noch immer, wenn auch nicht mehr so oft.
Anfang der 1970er Jahre arbeitete ich zur Finanzierung des Studiums oft als Kellner im Gastgewerbe. Ich konnte mir die Arbeitszeit mit anderen Studenten frei einteilen. Zur Entspannung traf ich mich oft mit meinem Kollegen Fredi im Cafe Hummel in der Josefstadt zu einigen Partien Schach. Wie spielten um das Krügerl Bier oder das Vierterl Wein, so bekam das Spiel zusätzlichen Reiz. Wir diskutierten dabei auch viel und „lösten“ so nebenbei verbal viele Probleme der Welt.
Eines Abends waren wir gerade mit einer Partie fertig, als sich ein junger Mann zu uns gesellte und fragte, ob er auch einmal gegen uns spielen dürfe. „Wir spielen aber nicht ohne Einsatz, sondern um die Getränke“, sagte Fredi zu ihm. „Das geht in Ordnung“, sagte der junge Gast. Fredi und ich schauten uns an und freuten uns schon auf den Sieg und die Getränke, denn das Geld war ja immer knapp.
Ich spielte als erster. Fredi ging auf die Toilette und als er kurz darauf zurückkam, war ich schon schachmatt. „Was spielst du denn für einen Sch…zusammen“ schimpfte er mich. Die Revanche spielte dann er. Doch auch er war nach wenigen Zügen schachmatt. Das gibt’s doch nicht!
Als neue Chance bot uns der Junge Mann großzügig an, gemeinsam gegen ihn zu spielen. Ein faires Angebot. So könnten wir unsere Getränke noch „retten“, hofften wir. Doch es half nichts. Er setzte uns beide auch bald schachmatt. Unser Gegner erhob sich und verabschiedete sich höflich: „Danke, meine Herren. Es war mir ein Vergnügen!“ Er trank seinen Apfelsaft aus und ließ uns verdattert zurück. „Was war das denn?“, fragte Fredi.
Das Fräulein Rosi, die hinter der Bar alles mitverfolgt hatte, rief uns lachend zu: „Meine Herren, das war eben der Jugendschachmeister von Wien!“
© Lorenz Graf 2019-10-02