von Maria Büchler
„Hoi Franz! – Was sagst du? – Hä? – Ob wir schon…? – Nein, bis jetzt noch nicht. Aber lange kann es ja nicht mehr dauern. – Ja, habe ich, und wie! Hörst du es nicht knurren?“ Ein Lachen. Es geht bereits auf elf Uhr zu, die Hitze ist groß.
Der da gerufen hat, arbeitet hoch oben am Dachstuhl eines Rohbaues. Es handelt sich um das künftige Eigenheim seines Bruders, und es ist Samstag. Wie überall hierzulande hilft jeder mit, wenn ein Familienmitglied oder Freund sich dazu entschlossen hat, ein Eigenheim zu bauen und möglichst viel selbst zu machen. Damit kann man sparen, da ist jede halbwegs geschickte Hand gefragt.
Nein, niemand steht auf der Straße, kein Franz hat gerufen. Und die Botschaft kommt auch nicht unmittelbar an, das geht im Moment gar nicht. Nur der Bruder ist anwesend und bekommt einen roten Kopf.
Die Schwägerin selbst erscheint bald darauf mit einem riesigen Korb, der eine reichhaltige Verpflegung in sich birgt. Doch der fingierte Dialog am Dach zeigt Wirkung. Am folgenden Arbeitstag und an allen weiteren gibt es bereits am Morgen eine üppige Jause, um die lange Zeit bis zum Mittag zu überbrücken. Da legt Mann sich doch gleich doppelt ins Zeug!
Die Vorarlberger sind dafür bekannt, dass sie besonders viel Wert auf ein Eigenheim legen. Vielleicht hängt das mit dem ausgeprägten Drang nach Föderalismus zusammen, werden doch auch in anderen Bundesländern Bauernhöfe aufgelassen und in der Folge Baugründe an die Erben verteilt. Wenn jemand eine Familie gegründet hat und ihr die besten Voraussetzungen zum Wohnen bieten will, am besten mit eigenem Obst- und Gemüsegarten, ist das Streben nach dem Eigenheim mehr als verständlich. Die Wohnbauförderungen und Bausparverträge (vielfach bereits von Jugend an) helfen mit, diesbezügliche Wünsche zu erfüllen.
Ein stichhaltiges Argument ist natürlich die Miete. Meine jährlichen Kosten mal 30 Jahre, für dieses Geld bekomme ich zu den derzeitigen Kauf-Konditionen sogar ein Zimmer mehr. Auch sind wir Mieter nie vor einer Kündigung sicher, vor den Preisanstiegen sowieso nicht.
Hingegen ist die schleichende Inflation oft aufseiten der Kreditnehmer. Viele bevorzugen es ganz eindeutig, jahrzehntelang einen Kredit zurückzuzahlen. Denn die Raten werden mit der Zeit, je nach Vereinbarung, vom Geldwert her stets kleiner. Jedenfalls war es noch vor wenigen Jahrzehnten so, ich kenne es nicht anders. Doch danach gehört einem das Haus oder die Wohnung, und man muss nicht fremde Taschen füllen. Eigener Herd … ihr wisst schon. Derzeit allerdings sind im Ländle die Preise für Hausbau und Wohnungskauf so hoch wie noch nie. Bedarf an zahlbarem Wohnraum besteht nach wie vor.
In meinen Augen geht die Rechnung jedoch nicht auf. Wer über zu wenig Eigenmittel verfügt und/oder keinen Kredit erhält, bleibt sein Leben lang Mieter. Im Klartext: Für den, der weniger Geld hat, wird das Wohnen unter Umständen doppelt so teuer. –Oder liege ich mit meinen Überlegungen total daneben?
Foto: Randy Fath / unsplash
© Maria Büchler 2022-01-07