Schaffen, schaffen, Häuschen bauen?

Sandra Mall

von Sandra Mall

Story
Heilbronn, Germany 2023

Wir schreiben immer noch denselben Tag, nur ein paar Stunden nach Erwachen. Mittlerweile habe ich die Hälfte geschafft, die Kinder sind zu Hause und wir sitzen an den Hausaufgaben. Während der Große fleißig (nach viel Zuspruch) den Zahlenraum bis 20 bearbeitet, die Kleine etwas spielt und der Thermomix vor sich hinköchelt, checke ich meine E-Mails. Aha. Okay. Eine Info der KiTa ist dabei, dass der Probefeueralarm aufgrund zahlreicher Bitten mehrerer Eltern verschoben wurde. Hah, wohl eher zahlreicher Drohungen, aber gut. Hat die Müttermafia also doch die Oberhand gewonnen, na prima. Derweilen sind die Hausaufgaben erledigt und nach deren Korrektur schmeiße ich ein paar Badesachen in die Tasche, weil man die Rasselbande bei sommerlichen Temperaturen wie heute am besten im Freibad bespaßt. Und obwohl ich Freibäder hasse, und ja ich kann hier wirklich von tiefstem Hass sprechen, weiß ich, dass ich den Kindern damit keinen größeren Gefallen tun könnte. Es ist so, dass ich, seit wir nicht mehr in unserer Dachgeschosswohnung wohnen, die sich im Sommer angefühlt hat wie 275 Grad auf Umluft, ganz schön gern zu Hause bin. Wir haben ein Häuschen mit Garten, gut isolierten Fenstern und vor allem einen Keller, in den man sich zur Not bei der 40 Grad Marke auch noch verdrücken könnte, bevor man einen Kreislaufzusammenbruch erleidet. Ohne Spaß ist mir das in unserer Dachgeschosswohnung an einem heißen Sommertag mal passiert. Ein Hoch also auf unser Häuslein! Okay, nicht direkt unseres, aber wir mieten es, was dem ziemlich nahekommt. Als wir vor drei Jahren umgezogen sind, kam von Freuden, Bekannten und auch von Seiten Familie allerdings immer wieder die Frage, ob wir denn nicht lieber etwas kaufen bzw. bauen wollen. Das Thema Eigenheim ist heikel bei den Deutschen, das ist mir klar. Hier wird viel nach den eigenen vier Wänden bemessen, und manche finden ihr Leben offenbar erst lebenswert, wenn sie wie aus dem Bilderbuch ihr eigenes Häuschen bauen. Und das freut mich, tut es wirklich. Es ist schön, wenn man das kann, das will ich überhaupt nicht infrage stellen. Aber mit 480 Euro für den Quadratmeter – zumindest im weiten Umkreis unserer Gegend, und das ist sogar noch ein sehr „günstiger“ Preis – kann ich für mich persönlich das Bilderbuch nicht mehr sehen. Wir arbeiten beide so viel wir können, aber mehr als Hänsel und Gretels Lebkuchenhaus ist einfach nicht drin. Es geht nicht für uns, Punkt und aus, und das sollte auch jeder für sich selbst entscheiden dürfen. Es steht absolut außer Frage, dass ich meine Kinder nicht mit eigenen Zimmern, viel Platz und einem Garten aufwachsen sehen will, aber auch hier müssen wir uns wieder bewusster machen, dass wir ziemlich im Luxus leben. Ich bin kein Schlechtredner, aber ich bin ein sehr realistischer Mensch und denke viel nach. Typ Kopf statt Bauch. Und man sollte sich den Gedanken, dass sich auf der Welt viele Menschen überhaupt ein Dach über dem Kopf wünschen würden, meiner Meinung nach wieder viel öfter ins Gedächtnis rufen. Natürlich ist es schön, sich etwas leisten zu können, aber auf dem Boden bleiben lautet die Devise. Denn wir leben auch mit einer schönen Mietwohnung im Luxus, und müssen dringend damit aufhören, uns nach unseren Häusern, Wohnungen, Eigenheim, Miete oder Sonstigem gegenseitig zu be- und verurteilen.

© Sandra Mall 2023-07-20

Genres
Humor& Satire, Lebenshilfe
Stimmung
Abenteuerlich, Herausfordernd, Inspirierend, Unbeschwert, Reflektierend
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