von Tamara Nessler
Mein Herz pocht heftiger denn je. Eine Wärme steigt in mir auf und ich spüre, wie meine Hände zittern. Ich war ihm noch nie so nah. Wir sind nicht mehr in Gesellschaft, wir sind draußen, zwei Gebäude weiter. Unsere bis anhin packenden Gespräche sind verstummt und ich blicke ihm in seine reizvollen blauen Augen. Ich bin mir nicht sicher, ob es dem Wein von vorhin, seinem Mantel oder meinem Gemütszustand zu verdanken ist, aber ich friere nicht. Im Gegenteil, mir war nie wärmer. Der Schnee hat erst kürzlich zu tauen begonnen und es ist bereits Nacht, ungeachtet dessen war mir nie wärmer.
Seine Mundwinkel verziehen sich ein Stück nach oben, zu einem süßen und äußerst verführerischen Lächeln. Behutsam tritt er einen Schritt näher. Ich lege den Kopf etwas in den Nacken, um ihm in die Augen schauen zu können. Er legt seine rechte Hand an meine Hüfte, gleich am Saum des Mantels.
Ein Kribbeln durchfährt meinen ganzen Körper. Ich führe meine Hand behutsam zu seiner Brust, die kaum eine Handlänge von meinem Körper entfernt ist. Mit meinem Zeigefinger fahre ich der Kontur seines Oberkörpers entlang. Jeder Muskel, jede Erhebung und jede Bewegung, die ich unter meinem Finger spüre, lässt den Hunger in mir aufkeimen. Hunger auf das, was er fähig wäre, mit mir anzustellen, würde er ein winziges Stück näher kommen. Ich denke an alle Orte, die seine Hände berühren könnten, an alle Wünsche, die seine Lippen zu erfüllen vermögen. Wir haben nicht viel Zeit, bevor unsere Abwesenheit auf dem Ball auffallen würde.
Als wäre er imstande meine Gedanken zu lesen, lässt er sich sanft nach vorne gleiten. Er drückt mich mit dem Gewicht seines Oberkörpers gegen die Wand. Ich spüre seinen Körper und seine Wärme durch die Kleidung hindurch. Seine Brust, wie sie die Meine berührt, seine Hüfte, die gegen meinen Unterkörper presst. Mit seiner freien Hand packt er mit sanfter Bestimmtheit seitlich meinen Kopf und zieht ihn zu sich, bis sich unsere Lippen berühren.
In diesem Moment verschwindet alles um mich herum. Die Realität ist ein Lichtblitz, meilenweit von meiner Fantasie entfernt. Mit geschlossenen Augen erkunde ich seinen Kuss. Seine Lippen sind weich und sanft und seine Zunge ergreift Besitz von mir. Seine Hand wandert vom Saum des Mantels zum Saum meines Kleides. Gezielt lässt er sie an der Außenseite meines Oberschenkels an meinen Strümpfen vorbei hoch gleiten bis ich seine Finger auf meiner nackten Haut fühle. Die eisige Berührung lässt mich zusammenzucken. Nicht aus Angst oder Scham, aus purer Lust.
Sein Kuss gewinnt an Intensität und seine Arme greifen fester nach mir. Für den Bruchteil einer Sekunde lässt er von mir ab und schaut tief in meine Augen. Dann schiebt er meinen Kopf zur Seite und stürzt sich auf meinen Hals. Er küsst jeden Zentimeter davon und krallt seine Hände tiefer in meine Schenkel. Meine Beine zittern vor Erregung und ich gebe mich seiner Berührung hin. Seine Finger wandern von der Schenkel Außenseite nach innen, da erklingt ein schriller Schrei:
„Lasst sofort von ihr ab, ihr Bastard!“
© Tamara Nessler 2023-08-30