Schanionkels letzter Flirt

Mary Modl

von Mary Modl

Story

Wirklich alte, lange Zeit zurĂŒckliegende Geschehnisse und Geschichten erkennt man oftmals an den Namen der Protagonisten. An der Mitzi-, Wetty- oder Peppitant, der Urseloma, dem Karliopa, dem Franz- oder auch Schanionkel. Letzterer war einer der BrĂŒder meiner Großmutter, in dieser ErzĂ€hlung auch Resi genannt.

Im Jahr 1956 – ein Jahr nachdem der Österreichische Rundfunkt gegrĂŒndet worden war – gab es im Haus meiner Altenberger Verwandten bereits einen Fernseher. Diese Botschaft, dass bei der Peppi(tant) ein FernsehgerĂ€t Einzug gehalten hatte, erreichte als baldigst auch ihre Schwester, die Resi im Weinviertel. Gehört hatte jene schon einiges von diesem Flimmerkistl, wie das moderne neue GerĂ€t, aus dem Menschen entgegenlĂ€chelten und Nachrichten verbreiteten, genannt wurde, doch sie hatte noch keines gesehen. Im heimatgemeindlichen CafĂ©haus war ein solches zwar „der“ Anziehungspunkt schlechthin, doch Mitte der FĂŒnfzigerjahre geziemte es sich fĂŒr eine Witwe nicht, sich alleine in solchen LokalitĂ€ten herumzutreiben. Daher war fĂŒr die Resi der Reiz einmal mehr denn je ein besonders großer, endlich dieses Ding, von dem fast ein jeder schwĂ€rmte, in Natura kennenzulernen.

Resi war eine begnadete Köchin und so lud sie sich unter dem Vorwand, frische Leberwurst, Grammeln und Blunzn nach dem Abstechen einer Nachbarssau fabriziert zu haben, zu einem Besuch ein. Per Bahn fuhr sie nach Altenberg bei Greifenstein.

Besonders der Schani, der Ă€lteste Bruder meiner Großmutter, der bei ihrer Ă€ltesten Schwester, der Peppi, lebte und nach einem Schlagl(Schlaganfall) von dieser gepflegt wurde, hatte große Freude ob der frischen Blutwurst, die bereits angekĂŒndigt worden war. Gleich nach der Ankunft wurde ihm diese kredenzt und er genoss jeden Bissen im Bett sitzend, fernsehend und essend. Danach bat er die Resi um ein GesprĂ€ch unter vier Augen. Alle waren sehr ĂŒberrascht, folgten jedoch der Bitte und ließen die beiden unter sich.

Wenn meine Großmutter Jahre spĂ€ter diese Geschichte wieder und wieder erzĂ€hlte, gab sie jedes Mal zu verstehen, sie habe damals geglaubt, der Schani wolle ihr seinen letzten Willen mitteilen.

Doch dem war keineswegs so. Vielmehr hatte es sich um ein pikantes GestĂ€ndnis gehandelt. Aus dem Flimmerkistl, das in seinem Zimmer stand, wĂŒrde ihm jeden Abend so eine fesche Blonde entgegenlĂ€cheln. Das mache ihn ganz verlegen, denn die wĂŒrde ihm immer so lieb zuzwinkern und mit ihm sprechen. Aber die wĂŒrde gar nicht interessieren, was er ihr antworte. Sie rede und rede immer nur weiter. Er habe das GefĂŒhl, die wolle mit ihm anbandeln. Er wisse nicht, wie er sich verhalten solle.

Dies alles erzĂ€hlte der knapp ĂŒber siebzigjĂ€hrige Schani seiner um ĂŒber 20 Jahre jĂŒngeren Schwester Resi und war dabei sichtlich gschamig errötet. Die fesche Blonde war Franziska Kalmar, Österreichs erste Fernsehsprecherin. Wenige Monate danach starb der Schani. Die Resi hatte ihn im Glauben gelassen, die Blonde flirte mit ihm.

© Mary Modl 2019-05-02

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