von Anna Pichler
Mit euch verbinde ich eine der leckersten Kindheitserinnerungen. In kleine, bauchige grüne Glasflaschen abgefüllte zuckersüß-sprudelnde Zitronen- oder Orangenlimomade. Kurz genannt – Schartnerbombe. Jedes Mal, wenn wir euch im Hotel besucht haben, gab es sie in rauen Mengen und dazu wurde uns alles Mögliche aufgetischt. Wiener Schnitzel, gebackenes Hühnchen, Cordon Bleu, Grillwürstel und haufenweise Pommes für die wilde Meute. Unser Eis durften wir uns nicht nur aussuchen, wir durften die Kugeln oft auch selber auf die Tüte patzen, was die kalte Erfrischung gleich noch besser gemacht hat. Zu Weihnachten hat das Christkind immer besonders viele Windringe auf den Baum gehängt und bei Bedarf hat es ihn ein zweites oder drittes Mal bestückt, damit auch wirklich jeder an genug Zucker kam. Euer gemütliches Wohnzimmer habe ich auch gut in Erinnerung. Mit den schweren, dunklen Möbeln und dem einzigartigen Geruch in der Luft verbinde ich eine wohlige, heimelige Atmosphäre voller lieber Menschen und Begegnungen. Das große Hotel hatte genügend tolle Winkel und Ecken zum Verstecken und Entdecken. Oft haben wir uns in die oberen Stockwerke geschlichen und versucht die knarzenden Bodendielen zu umgehen, damit ihr uns nicht wieder ins Wohnzimmer stampert und unsere abenteuerliche Entdeckungsreise ein jähes Ende findet. Auf der Toilette konnte man den Wasserfall rauschen hören, der hinter dem Hotel in die Tiefen stürzt. Immer wieder habe ich mich an der fensterlosen Mauer hochgezogen, um darüber hinwegsehen zu können – ich wollte doch den Wasserfall sehen. Als Kind erschien es mir durchaus logisch, dass die Mauer unter dem Plafond offen ist und man ins Freie sieht. Wie erstaunt war ich also, als es mir endlich (nach vielen Jahren) gelang, darüber hinwegzusehen und ich geradewegs in die Herrentoilette guckte. Zum Glück war diese zu dem Zeitpunkt leer, das hätte mich sonst eventuell in Erklärungsnöte gebracht. Also habe ich mich, mit Komplizen, die Schmiere standen, in die Herrentoilette geschlichen und beim Fenster hinausgesehen, und da war er – der Wasserfall. Unter lautestem Getöse stürzte er sich über den Steinvorsprung und verströmte kalte Luft und unzählige Wassertropfen schossen durch die Gegend. Ich hätte meine Schmiere stehenden Komplizen nie gehört, bei dem Lärm, hatte aber erneut Glück und blieb unentdeckt.
Euer Hotel war so voller Abenteuer, so geschichtsträchtig, so heimelig wie selten ein anderes Gebäude. Diese Kindheitserinnerungen behalte ich gut behütet in meinem Herzen und jedes Mal, wenn ich, irgendwo die süß sprudelnde Limonade trinke, steigen diese Erinnerungen wieder an die Oberfläche wie die Blubberblasen in der Limoflasche vor mir. Weil es sich gemeinsam doch am besten in Erinnerungen schwelgen lässt, hole ich dann meistens meine Komplizen alias meine Geschwister und Mama dazu, immerhin hat letztere dieselben Erinnerungen schon Jahr(zehnt)e vor uns gesammelt.
© Anna Pichler 2021-06-10